Erleichterung bei den Standesvertretern

DAV: E-Rezept hätte Patientensicherheit gefährdet

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Berlin -

Die Standesvertretungen von Apothekern und Ärzten begrüßen die Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Verschiebung des E-Rezepts. Eine Einführung beim derzeitigen Entwicklungsstand hätte sowohl die Versorgungssicherheit der Patienten als auch die Vergütungssicherheit der Apotheken gefährdet, erklärt der Deutsche Apothekerverband (DAV). Die Gematik kündigt unterdessen an, künftig transparenter über den Projektfortschritt zu berichten.

Der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich lobt die Entscheidung des BMG als „konsquenten Schritt“: Der DAV sei „generell für das E-Rezept“ und seine zügige Einführung, die Apotheken seien mit Blick auf die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) längst E-Rezept-ready. „Aber betrachtet man den kompletten Prozess von der Verordnung über die Einlösung und Quittierung bis hin zur Abrechnung des E-Rezeptes, dann gibt es noch erhebliche technische Probleme“, so Dittrich. „Sie sollten vor der Einführung behoben sein, sonst wird die Versorgungssicherheit der Patienten gefährdet. Und die ist in der laufenden Pandemie doppelt wichtig.“

Auch für die Apotheken hätte eine Pflichteinführung des E-Rezeptes zum Jahreswechsel wirtschaftliche Risiken mit sich gebracht: „Es gibt Unstimmigkeiten im elektronischen Signaturverfahren. Solange sie nicht ausgeräumt sind, läuft die Apotheke Gefahr, nach der Belieferung des E-Rezeptes retaxiert zu werden, also keine Vergütung zu bekommen. Das ist nicht akzeptabel“, so Dittrich. Die Verlängerung der Testphase biete nun die Chance, die technischen Probleme zu lösen und den flächendeckenden Rollout dann in einem geordneten und sicheren Verfahren zügig zu bewerkstelligen.

Ähnlich erleichtert zeigt sich die Bundesärztekammer (BÄK): „Es ist gut, dass das Bundesgesundheitsministerium die Warnungen der Leistungserbringerorganisationen in der Gematik ernst nimmt und vor dem bundesweiten Rollout des E-Rezepts zunächst die Testphase fortsetzen und ausweiten will“, erklärt BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Die Leistungserbringerorganisationen im Gematik-Gesellschafterrat – neben DAV/Abda und BÄK namentlich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) – hatten sich Anfang des Monats in einer gemeinsamen Erklärung gegen die E-Rezept-Einführung gestemmt und mehrere Forderungen erhoben, die nun vom BMG erfüllt worden.

Das E-Rezept verändere bestehende, eingespielte Arbeitsabläufe in Praxen und Kliniken, erklärt Reinhardt nun. „Ärztinnen und Ärzte werden dies nur akzeptieren können, wenn die neuen Prozesse sicher, störungsfrei und zügig ablaufen.“ Dafür seien aber intensive und flächendeckende Tests in einer dauerhaft betriebenen Pilotregion notwendig. „Zudem muss die Beendigung der erfolgreichen Testung an transparente Qualitätskriterien geknüpft werden, die jeder Anbieter zu erfüllen hat“, so Reinhardt. „Die bisherigen Tests in der Fokusregion Berlin-Brandenburg waren leider nicht aussagekräftig.“

Weder die Anzahl der komplett verarbeiteten E-Rezepte noch die Zahl der am Testlauf teilnehmenden Systeme in den Arzt-, Zahnarztpraxen beziehungsweise Apotheken noch die Anzahl der teilnehmenden Krankenkassen hätten bisher erreicht werden können. Das könne nun nachgeholt werden. „Die Ärzteschaft unterstützt ausdrücklich die Einführung des E-Rezepts und wird sich konstruktiv in die weiteren Tests einbringen“, so Reinhardt. „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, digitale Anwendungen in der Versorgung zu etablieren, die praxistauglich sind, die die Sicherheit der Patientinnen und Patienten gewährleisten und einen echten Mehrwert in der Versorgung bieten.“

Die Gematik verspricht nun ebenjene Maßnahmen: Die verlängerte Testphase solle genutzt werden, um die Anzahl der Teilnehmenden an den Tests zu erhöhen, Updates aufzuspielen, die nötige Software zu installieren, das Personal zu schulen und die Stabilität des Zusammenwirkens der einzelnen erforderlichen Komponenten intensiv zu prüfen. In diesem Zeitraum werde außerhalb der kontrollierten Testphase wie gewohnt das Muster 16-Formular genutzt.

Außerdem werde sie ab Januar in Abstimmung mit Abda, KBV und DKG laufend Updates zum Ausstattungsgrad der Apotheken, Praxen und Krankenhäuser geben. „Die Gematik wird ihre Gesellschafter und die Öffentlichkeit transparent zum aktuellen Stand der Einführung informieren“, so das Versprechen. Mit der bundesweiten Öffnung der Testphase seien alle Akteure gefordert, sich intensiv zu beteiligen.

Weniger positiv wird die Verschiebung in Venlo und Heerlen aufgenommen: Zur Rose und Shop Apotheke werben seit langem mit der E-Rezept-Einführung als großem Durchbruch für das eigene Rx-Geschäft. Entsprechend verhalten reagieren beide Konzerne nun: Es sei „wichtig“ gewesen, dass das BMG das E-Rezept in seiner gestrigen Kommunikation nochmals als politisch höchst bedeutsames Digitalisierungsprojekt hervorgehoben habe, so ein Sprecher von Shop Apotheke. „Vor diesem Hintergrund müssen natürlich alle Aspekte des E-Rezepts hinreichend getestet werden. Bei uns ist das zweifelsfrei der Fall: Alle E-Rezepte, die Shop Apotheke aus dem Pilotprojekt erhalten hat, haben alle Prozesse und Prüfungen problemlos und ohne Fehler durchlaufen.“

Auch Zur Rose betont, selbst bereit zu sein und sich nun einbringen zu wollen: „Zusammen mit allen anderen Beteiligten werden wir unseren maximalen Beitrag dazu leisten, dass die flächendeckende, verpflichtende Einführung zügig voranschreitet und umgesetzt wird. Das werden wir auch so dem BMG signalisieren, das es auf uns zählen kann, wenn es um die Umsetzung des Koalitionsvertrages geht, der sich die beschleunigte Einführung des E-Rezepts zum Ziel gesetzt hat“, so eine Sprecherin des DocMorris-Mutterkonzerns „Gestützt auf diese Entwicklung gehen wir weiterhin von einem E-Rezept-Roll-out im Jahr 2022 aus, wodurch sich unsere mittelfristigen Wachstumsziele nicht verändern.“

Shop Apotheke fordert deshalb einen neuen Stichtag für die Einführung: „Um Planungssicherheit für alle Marktteilnehmer wiederherzustellen, ist es jetzt erforderlich, dass das BMG schnellstmöglich einen verbindlichen neuen Zeitplan kommuniziert“, so ein Sprecher. Das Unternehmen habe schon in der Vergangenheit betont, dass es von einem graduellen Zuwachs von E-Rezepten in den ersten Monaten des kommenden Jahres ausgehen und erst zur Jahresmitte einen deutlichen Anstieg erwarte. „Wir haben lange auf die Einführung des E-Rezepts in Deutschland gewartet. Eine Verzögerung von ein paar Monaten ist nicht von entscheidender Bedeutung. Wir freuen uns weiterhin auf den Start des elektronischen Rezepts.“

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