Kommentar

Das DIY-Dilemma der Apotheken Alexander Müller, 11.02.2022 10:28 Uhr

Die Abda setzt vermehrt auf das Prinzip „Do it yourself". Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Als es in der Frühphase der Pandemie nicht genug FFP2-Masken für alle gab, haben wir uns mit selbstgemachten Schutzlappen beholfen – do it yourself hatte seinen Weg aus der Handwerker- und Bastelecke in die Pandemiebekämpfung gefunden. An die damalige Kreativität und Vielfalt können selbst die heutigen Farbpalette-Varianten der professionellen Masken nicht ansatzweise heranreichen. Dafür filtern sie besser. Nachhaltig vom DIY-Trend erfasst wurde die Abda. Sie stellt sich immer öfter die Frage: Warum machen wir das nicht selbst? Masken-Deals, Zeitung, Plattform, Rechenzentrum. Es gibt gute Gründe für die hauseigene Lösung und gute dagegen, kommentiert Alexander Müller.

Auf das eigene Apothekenportal des DAV ist man im Apothekerhaus schon stolz. Wie schnell der Berufsstand hier eine Lösung für die Impfzertifikate geschaffen hatte, das hat selbst die Politik begeistert. Die zwischenzeitlich aufgedeckte Sicherheitslücke wird im Rückblick eher als Schönheitsfehler wahrgenommen – und konnte in gewissem Umfang sogar den Nicht-Mitgliedern in die Schuhe geschoben werden. Ein Lesart, die künftig noch relevant werden dürfte.

Mit dem neusten Feature können die in der Offizin erfolgten Impfungen an das RKI gemeldet werden. Jetzt soll das Portal zur Plattform ausgebaut werden, mit Terminbuchung und B2C-Kommunikation. Für die eigene Digitalgesellschaft „Gedisa“ wird ein zweistelliger Millionenbetrag bei den Landesapothekerverbänden eingesammelt. Und tatsächlich haben fast alle zugestimmt, obwohl die kommunizierten Pläne eher einer Absichtserklärung mit Eckdaten glichen. Nur der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) bleibt außen vor, weil bei der Mitgliederversammlung eine Stimme zur einfachen Mehrheit fehlte. Dass der folgenreiche Patt mit 40 zu 40 Stimmen bei eigentlich mehr als 1300 Stimmberechtigten zustande kam, sagt auch etwas über die demokratische Entscheidungsfindung innerhalb des Berufsstandes, aber das ist eine andere Geschichte.

Haben die anderen 16 LAV die Pläne zu unkritisch durchgewinkt oder handelt es sich um einen lokalen Ausbruch der sprichwörtlichen westfälischen Dickköpfigkeit? Das Argument des AVWL kann sich immerhin hören lassen: Bei einem eigenen Investment von 1,8 Millionen Euro auf drei Jahre und einem Risiko des Totalverlusts zumindest valide Zahlen und dezidierte Pläne sehen zu wollen, klingt erstmal nicht besonders anmaßend. Der DAV hat offenbar darauf vertraut, auch ohne intensivierte Überzeugungsarbeit durchzukommen. Jetzt stehen beide Seiten recht dumm da und im Berufsstand wird grundsätzlich über die DIY-Frage diskutiert.

Der Grundgedanke hinter einer eigenen Plattform ist einfach: Warum sollten die Apotheken sich in die Abhängigkeit Dritter begeben, wenn sie die Aufgabe aus eigener Kraft stemmen können? Nicht nur könnte man es sich im wahrsten Sinne sparen, das Geld irgendwelchen Investoren oder Start-ups in den Rachen zu schmeißen, das Risiko sei auch deutlich kleiner. Denn bei einem externen Anbieter können sich die Apotheker nie sicher sein, dass der nicht irgendwann an einend er ganz Großen verkauft, sein Angebot nach eigenem Gutdünken verändert oder schlicht teurer wird.

Womit wir beim klassischen DIY-Dilemma wären. Die Vorteile: Man muss nicht auf einen Termin warten, ist unabhängig und meistens auch günstiger. Die Nachteile: Man muss alles selber mache und ist im Ergebnis selten besser als der Profi. Davon hat bestimmt jeder ein Zeugnis in seiner Wohnung oder seinem Garten.

Dass die Apotheken ihre Herausforderungen aus den eigenen Reihen lösen und damit auch das Geld in der Branche zusammenhalten, hat eine lange Tradition und große Erfolge vorzuweisen – „standeseigene“ Rechenzentren, Softwarehäuser, Großhändler und sogar fast eine eigene Bank. Allerdings erodiert auch dieser Markt zusehens in Richtung der „Privatwirtschaft“.

Bei der Plattform kommt aber eine weitere Dimension dazu: die Endverbraucher:innen. Deren Vorlieben und Ansprüche – mit anderen Worten: die Nachfrage – lässt sich nicht so einfach steuern. Und das Angebot auf der anderen Seite monopolistisch zu gestalten, das wäre einerseits der Qualität sicher nicht förderlich und dafür reicht die Geschlossenheit des Berufsstandes auch schlicht nicht aus. Es wird immer Apotheken geben, die mit „Externen“ zusammenarbeiten, zumal wenn wie im Fall der Plattform Ihre-Apotheken ein Unternehmen wie die Noweda dahinter steht. Wer einmal auf einer Jahreshauptversammlung in Essen war, weiß, dass viele Apotheken „ihrer“ Genossenschaft im Herzen oft näher sind als dem eigenen Apothekerverband.

Ein Blick ins Zeitschriftenregal der Apotheken zeigt auch, dass DIY nicht immer das Beste sein muss. Das hauseigene Abda-Blatt hat sich im Wettbewerb schlicht nicht durchgesetzt, daran wird auch der Relaunch nichts ändern – übrigens ein weiteres wenig beachtetes DIY-Projekt der Avoxa. Nein, es war wieder die Noweda, der ein erfolgreicher Vorstoß in den Markt geglückt ist – und auch hier nur mit Unterstützung von Burda, einem professionellen Medienkonzern.

Auch bei den Plattform-Angeboten werden die Kund:innen mit den Füßen abstimmen, denn eine Apotheken-exklusive Lösung konnte die Abda bei der Politik schlicht nicht durchsetzen. Und daher stellt sich schon die Frage, ob die Standesvertretung mit ihrer Gedisa nicht einerseits ein bisschen spät dran ist und ob sie in der gebotenen Eile eine konkurrenzfähige Lösung auf die Beine stellen kann.