Card Link: Vor-Ort-Apotheken im Nachteil? Laura Schulz, 02.04.2024 13:41 Uhr
Müssen die nun veröffentlichten Spezifikationen für das Card-Link-Verfahren noch einmal konkretisiert werden? Ja, findet eine Gruppe von TI-Experten, die das Interop Council der Gematik angerufen hat. Nachdem das im Auftrag der Versandapotheken entwickelte Verfahren als zusätzliche Einlöseoption des E-Rezept entwickelt wurde, gibt es nun Bedenken von Experten, dass hier wiederum die Vor-Ort-Apotheken das Nachsehen haben und benachteiligt werden.
Das Interop Council für Interoperabilität im deutschen Gesundheitswesen versteht sich als neutrale Institution und wird von Professor Dr. Sylvia Thun geleitet, die unter anderem an der Charité den Bereich E-Health und Interoperabilität leitet. Die Ärztin ist zudem Ingenieurin für biomedizinische Technik. Die Expert:innen des Councils sollen hier nun bezüglich Card Link eingreifen.
Bemängelt wird, dass die Spezifikation zu einseitig die Versandapotheken unterstütze. Vor-Ort-Apotheken seien benachteiligt, weil diese eben nicht in der Lage seien, auf die Schnelle eigene Apps zu entwickeln oder entwickeln zu lassen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Apps der Versender den nötigen diskriminierungsfreien Zugang nicht umgehen. Die freie Apothekenwahl sei somit nicht garantiert. Über die E-Rezept-App der Gematik kann über den Verzeichnisdienst der Apotheken (APOVZD) eine Vor-Ort-Apotheke ausgewählt werden, genauso wie eine Versandapotheke.
„Unspezifizierten ‚pharmacy_interface‘“
Die IT-Experten haben daher am 20. März beim Interop Council ein Dokument mit Erklärungen hierzu eingereicht, die das Interoperabilitätsproblem aufgrund des „unspezifizierten ‚pharmacy_interface‘ beim ‚eHealth-Card Link‘-Verfahren“ darlegen sollen. Als Autor der Einreichung ist Dr. Detlef Hühnlein von der Firma Ecsec angegeben. Der IT-Dienstleister aus Bayern will mit seinem Produkt „Epotheke“ das Card-Link-Verfahren in die Vor-Ort-Apotheke bringen. Als Unterstützer der Einreichung wird zudem unter anderem Jochen Brüggemann von Red Medical aufgeführt.
Die Ausführungen von Hühnlein besagen, dass „die bislang nicht von der Gematik spezifizierte Schnittstelle ‚pharmacy_interface‘ zwischen dem Apothekenverwaltungssystem (AVS) und der App der versicherten Person beim ‚eHealth-Card Link‘-Verfahren […] zu einer starken Kopplung zwischen AVS und App“ führe.
Dies bringe Interoperabilitätsprobleme, also kein nahtloses Zusammenspiel verschiedener Systeme mit sich, „so dass dieses Verfahren faktisch nur durch große Versandapotheken mit eigenen Apps umgesetzt werden kann“. Damit das neue Verfahren auch ohne eigene App genutzt werden könne, müsse „das ‚pharmacy_interface‘ umgehend spezifiziert und standardisiert werden“, heißt es weiter.
Versender: 1, Apotheke: 0
Der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) gerade erst erlaubte Weg des Einlösens von E-Rezepten über die NFC-Schnittstelle eines Smartphones mit entsprechender Spezifikation vermisse noch ein wichtiges Detail: „Während die Gematik den ‚Hinweg‘ von der App zur Apotheke über das ‚card_interface‘ und die ‚SICCT‘- Schnittstelle spezifiziert hat, wird der gemäß § 20 ApBetrO notwendige ‚Rückweg‘ vom AVS zur App über das ‚pharmacy_interface‘ trotz zahlreicher nachdrücklicher Kommentare von vielen Gesellschaftern und Industrievertretern von der Gematik nicht spezifiziert.“
Durch die mangelhafte Spezifikation könne das neu geschaffene Verfahren „praktisch nur von großen Versandapotheken mit eigenen Apps genutzt werden“. Zudem sei das Problem dadurch entstanden, dass die Gematik in Abstimmung mit dem BMG „möglichst schnell eine vor allem für europäische Versandapotheken geeignete Lösung entwickeln“ musste.
Zu Schaden kämen hierdurch vor allem „kleinen Apotheken, die regelmäßig nicht über eine eigene App verfügen“, was „längerfristig voraussichtlich zu einer Minderung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen Vor-Ort-Apotheken und möglicherweise zu existenziellen Problemen für Vor-OrtApotheken in ländlichen Regionen“ führen könne.
Einen Lösungsansatz liefert Hühnlein ebenfalls: „Das von der Gematik spezifizierte ‚card_interface‘ und die ‚Business Objects‘ des Adas können als Vorlage für die Spezifikation des ‚pharmacy_interface‘ dienen.“ Der Bundesverband Deutscher Apotheken Systemhäuser (Adas) habe hier also bereits entsprechende Vorarbeit geleistet.