Apothekenbote holt E-Rezepte Laura Schulz, 09.04.2024 10:51 Uhr
Dass das E-Rezept sowohl aus Patienten- wie auch aus Leistungserbringersicht noch nicht ganz ausgereift ist, zeigte sich besonders deutlich nach dem bundesweiten Start. Eines der großen Probleme sind über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ausgestellte Rezepte, die nicht auf die Schnelle in der Apotheke eingelöst werden können. Hier könnte die Gematik-App gut helfen, doch die Praxis zeigt, dass diese sehr selten genutzt wird. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch: Apotheker Dr. Tobias Raichle hat eine bisher ungenutzte Möglichkeit gefunden und bietet nun einen kostenlosen E-Rezept-Service: „Unser Bote kommt gerne zu Ihnen nach Hause und liest an der Haustüre Ihre Versichertenkarte ein.“
Der simpelste Einlöseweg für das E-Rezept ist die eGK, dieser wird auch am häufigsten in den Apotheken genutzt. Doch das erfordert das Vorlegen der Karte, was teilweise in der Praxis für die irrwitzigsten Lösungen sorgt. Auch einzelne Anbieter haben sich bereits auf dieses Problem konzentriert und bieten Lösungen.
Doch einen extra Dienstleister für diesen Anwendungsfall wollte Raichle nicht. Er ist Leiter der Ärztezentrum-Apotheke Kirchheim nahe Stuttgart, Inhaber ist Thomas von Künsberg Sarre. Für die Apotheke sowie die drei weiteren Filialen im Verbund hat Raichle eine eigene Lösung entwickelt: „Als neueste Innovation bieten wir für Sie unseren kostenlosen E-Rezept Service an. Das ist bisher einmalig in Deutschland!“, heißt es dazu auf der Webseite. „Sie haben ein E-Rezept auf Ihrer Karte und können gerade nicht in die Apotheke kommen? Kein Problem! Rufen Sie uns einfach kurz an. Unser Bote kommt gerne zu Ihnen nach Hause und liest an der Haustüre Ihre Versichertenkarte ein.“
Anschließend sollen die Kund:innen ihre Arzneimittel am gleichen oder folgenden Tag nach Hause geliefert bekommen. Dass ein solcher Service notwendig sei, fiel dem Filialleiter schnell auf: „Es ist das Problem aufgetreten, dass Kunden seit Januar immer wieder angerufen haben – sie hätten ein Rezept auf der Karte, aber keine Möglichkeit, in die Apotheke zu kommen. Oder sie müssten sich extra mit dem Taxi herfahren lassen. Sie fragten, ob es da nicht andere Möglichkeiten gibt.“
Kartenterminal selbst konfiguriert
Also machte sich Raichle selbst an die Arbeit und nutzt nun ein mobiles Terminal, dass einfach in einer Tasche vom Boten mitgenommen wird. Dazu benötige es keine zusätzliche SMC-B oder zusätzliche Lizenzen, sondern einfach ein weiteres Terminal. Zudem werden die Aufträge hier nicht gesammelt und erst anschließend in der Apotheke ins System übertragen, sondern können in Echtzeit direkt in der Apotheke weitererarbeitet werden. „Technisch gibt es sowas noch nicht. Das hat auch einiges an Arbeit gefordert.“
Auch rechtlich sicherten sich Raichle und Inhaber von Künsberg Sarre ihre eigene Lösung entsprechend ab. Doch auch hier habe es nichts auszusetzen gegeben. „Die Ärzte sind immer weniger bereit, den Code auszudrucken. Auch KIM wird kaum genutzt.“ Daher war für ihn eine solche Entwicklung nur folgerichtig, wenn auch aufwendig. „Das ist einfach eine Lücke, die hier aufgetreten ist. Wenn Card Link erstmal da ist, ist das noch mal was anderes.“ Denn wenn sich Card Link etabliert hat, werde die von Raichle entwickelte Vorgehensweise sicher abgelöst.
Das System sei im Apothekenalltag sehr hilfreich, auch wenn es bisher nicht übermäßig genutzt werde, so Raichle. „Es wird angenommen, viele kennen das aber auch noch gar nicht. Wir machen das gerade publik.“ Vor allem ältere und immobile Kund:innen seien dankbar für diese Idee. „Da kommen keine 100 Rezepte zusammen, aber das ist schon täglich im Einsatz. Und es ist ein Wettbewerbsvorteil für uns.“
Neben den vielen Zugangsvoraussetzungen, die es nicht wenigen Kund:innen schwer macht, sich bei der E-Rezept-App überhaupt anzumelden, habe die offizielle App der Gematik auch noch andere Nachteile. So sei beispielsweise keine Rückmeldung der Apotheke an die App-Nutzer:innen vorgesehen. In vielen Fällen müsse man einfach hoffen, dass irgendwo eine Telefonnummer angegeben wurde, damit eventuelle Rückfragen überhaupt geklärt werden könnten. „Das System ist noch zu lückenhaft. Wir müssen uns selbst Gedanken machen.“