Ist die direkte Übermittlung von E-Rezepten von der Praxis an die Apotheke gestattet oder ein Verstoß gegen die freie Apothekenwahl? Diese Frage beantworten die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unterschiedlich. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) findet hingegen klare Worte und hebelt den gesetzlichen Anspruch auf die freie Apothekenwahl mit dem Apothekenreformgesetz (ApoRG) aus.
Die Ausstellung eines E-Rezeptes über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist für Arztpraxen, die Bewohner:innen von Pflegeheimen betreuen, keine praktikable Lösung. Denn Pflegeheime müssen erst ab Sommer 2025 an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden sein. Eine Alternative ist der Token-Ausdruck. Außerdem dürfen die Praxen die digitalen Verordnungen nicht direkt regelhaft an eine Apotheke weiterleiten.
Die Direktzuweisung von Rezepten durch Arztpraxen an Apotheken ist nicht erlaubt. Grundlagen sind § 31 Absatz 2 Musterberufsverordnung für Ärzte (MBO) und § 11 Absatz 1 Apothekengesetz (ApoG). Darüber hinaus gilt § 24 Absatz 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) – kein Einrichten einer Rezeptsammelstelle in einer Arztpraxis.
Die KV Berlin sieht die Sache anders. Eine juristische Prüfung habe ergeben, dass nicht gegen die gesetzliche Bestimmung zur freien Apothekenwahl verstoßen werde, wenn E-Rezepte von einer Arztpraxis direkt an eine Apotheke übermittelt werden, vorausgesetzt es liegt eine Einverständniserklärung der Bewohner:innen der Pflegeeinrichtung vor.
Der Auffassung widerspricht die KBV und vertritt den Standpunkt des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Vertragsärzt:innen und auch Krankenkassen dürfen Versicherte weder dahingehend beeinflussen, ihre Rezepte in einer bestimmten Apotheke einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen.
Zwar können heimversorgende Apotheken Bewohner:innen beliefern, aber eben nur dann, wenn diese ihr schriftliches Einverständnis gegeben haben. Dies ist allerdings nur über entsprechende Verträge zwischen Apotheke und Pflegeeinrichtung möglich. Arztpraxen sind weder Gegenstand der Verträge noch können sie entsprechende Verträge schließen. Eine Einverständniserklärung bezogen auf die freie Apothekenwahl gegenüber einer Arztpraxis ist nicht vorgesehen.
Zudem fordert die KBV seit einiger Zeit, den Pflegeeinrichtungen den Zugriff auf den E-Rezept-Fachdienst zu ermöglichen. Denn nur dann können sie als bevollmächtigte Vertreter der Bewohner:innen die Verordnungen verwalten und entsprechend an eine Apotheke übermitteln und auch alle relevanten Informationen zur Verordnung wie beispielsweise die Dosieranweisungen direkt einsehen.
Arztpraxen können Papier- und E-Rezepte nur direkt an die Bewohner:innen der Pflegeeinrichtung oder die Pflegeeinrichtung übermitteln. Ist das Heim bereits an die TI angebunden, kann die Übermittlung entsprechend stattfinden.
Eine Regelung im ApoRG könnte künftig das Problem lösen und die direkte Übermittlung von E-Rezepten von der Arztpraxis an die Apotheke möglich machen. Vorgesehen ist eine Änderung von § 12a.
„Im Fall eines Vertrages nach Absatz 1 Satz 1 kann der Betreiber abweichend von § 11 Absatz 1 Satz 1 Absprachen, die das Sammeln und direkte Weiterleiten von Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, für die Bewohner des Heimes an seine Apotheke umfassen, mit Ärzten treffen.“
Somit wird eine Absprache zwischen der heimversorgenden Apotheke und Ärzt:innen ermöglicht. Die Absprache beziehe sich auf das Sammeln und Weiterleiten von Verschreibungen einschließlich E-Rezepten, mit denen Arzneimittel und Medizinprodukte für die Heimbewohner:innen verschrieben werden, heißt es im Kommentar zum Kabinettsentwurf. Die Absprache kann nur für diejenigen Bewohner:innen gelten, die einer Versorgung über die heimversorgende Apotheke zugestimmt haben. Mit der Regelung sollen Aufwände in den Pflegeheimen durch eine bisher benötigte Weiterleitung der Verschreibungen an die Apotheke reduziert werden.
Laufen in Apotheken Verordnungen aus Arztpraxen für Heimbewohner:innen auf und besteht kein Heimversorgungsvertrag zwischen Pflegeeinrichtung und Apotheke, handelt es sich um einen Widerspruch zu § 12 a Absatz 1 ApoG. Nach Absatz 3 ist nur dann kein Heimversorgungsvertrag notwendig, wenn Heimbewohner:innen sich selbst mit Arzneimitteln versorgen. Entsprechend müssen die Verordnungen den Versicherten ausgehändigt werden. Dass Praxen Verordnungen an Apotheken in diesen Fällen übermitteln, sei in der Regel ein Einzelfall, so dass insbesondere die durch Dritte konzertierte Organisation einer entsprechenden Willensäußerung einer Verletzung des gesetzgeberischen Willens indiziert.
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