Pilotphase läuft noch nicht rund

Ärzte fordern mehr Testzeit für ePA

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Berlin -

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in den drei Testregionen für die elektronische Patientenakte (ePA) fordern mehr Zeit, um diese vor der bundesweiten Einführung zu testen. Die Pilotphase laufe nach fünf Wochen immer noch nicht vollumfänglich, teilten die KVen Bayern, Hamburg, Nordrhein und Westfalen-Lippe mit. Eine zu frühe Einführung könne die Qualität der Software, die Sicherheit der Akten und die Akzeptanz der Bevölkerung gefährden.

Die rund 300 teilnehmenden Leistungserbringer in und um Hamburg, in Franken und Teilen Nordrhein-Westfalens berichten demnach, dass die technischen Voraussetzungen fehlen oder dass es Komplikationen gebe, sodass diese die ePA nicht wirksam testen könnten. In Westfalen-Lippe habe ein Drittel der Pilotpraxen die ePA noch gar nicht ausprobieren können, heißt es von der zuständigen KV.

„Zum Start der Pilotphase konnten in Westfalen-Lippe nur wenige der teilnehmenden Praxen die elektronische Patientenakte befüllen. Die Ursachen hierfür waren vielschichtig. So gab es beispielsweise Herausforderungen beim Zugriff auf die entsprechenden Aktensysteme. Mal mussten hier die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme nachbessern, mal die Softwareunternehmen der Aktensysteme“, so Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL. „Einige Praxisteams kämpfen derzeit auch noch mit der E-Medikationsliste. Zum Teil werden die Daten gar nicht oder nur unvollständig übertragen. Auch der erhöhte Beratungsbedarf im Arzt-Patienten-Verhältnis darf nicht unterschätzt werden. Wir sind froh, dass die Schwierigkeiten jetzt auftreten, denn exakt dafür ist die Pilotphase gedacht.“ Doch aus diesen Gründen brauche es dringend mehr Zeit.

„Zu kurzes Zeitfenster“

Der Test der ePA läuft seit dem 15. Januar. Mitte März will die Gematik prüfen, ob diese bundesweit eingeführt werden kann. Bei einem positiven Ergebnis könnte das ab April möglich sein. „Das vorgesehene Zeitfenster von zwei Wochen, um die wichtigsten festgestellten technischen Probleme zu beseitigen, ist deutlich zu knapp bemessen.“ Die KVen appellieren deshalb an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Testphase zu verlängern und mehr Zeit für Funktions- und Lasttests zu bekommen.

Sorge: Frustrierte Ärzte und verärgerte Patienten

„Wir sehen durchaus Potenzial darin, dass eine datensichere und datenschutzkonforme elektronische Patientenakte mittel- bis langfristig einen Mehrwert in der Versorgung der Patienten leisten kann. Grundvoraussetzung hierfür ist allerdings eine ausgereifte, fehlerfreie und hochsichere Akte, deren Bedienung in den Softwaresystemen der Ärzte und Psychotherapeuten einfach und praxistauglich ist. Ein übereiltes Ausrollen der ePA führt zu Frust in den Praxen und aufgrund unerfüllter Erwartungen zu Verärgerung bei den Versicherten. Im schlimmsten Fall lehnen Praxen und Patienten die ePA dann einhellig ab“, begründet der Vorstand der KV Bayerns, Dr. Christian Pfeiffer, Dr. Peter Heinz und Dr. Claudia Ritter-Rupp, die Forderung der KVen.

„Es ist Stand heute nicht davon auszugehen, dass bis Mitte März tatsächlich annähernd umfassende Testungen und Testszenarien durchgeführt und ermittelte Fehler, Schwächen und Sicherheitsdefizite abgestellt sein werden“, gibt zudem Caroline Roos, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg zu bedenken. Dass ein möglicher Rollout zum 1. April überhaupt in Erwägung gezogen werde, sei nicht nachvollziehbar.

„Die letzten fünf Wochen waren ernüchternd und drehten sich leider ausschließlich um die rein technische Machbarkeit. Sie blieben praktisch ohne Testergebnisse für den eigentlichen Behandlungskontext in der Praxis, um den es ja eigentlich gehen sollte“, ergänzt der Vorstand der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann.

Alle Beteiligten würden unfreiwillig Test-Teilnehmer werden

Der Hartmannbund pflichtet bei: „Auch, wenn das ein bisschen gebetsmühlenartig daherkommt, so bleibt es trotzdem richtig: Der Start einer unausgereiften und mit Umsetzungsschwierigkeiten einhergehenden ePA ist inakzeptabel, würde zudem deren Akzeptanz langfristig schädigen“, so die stellvertretende Vorsitzende, Professor Dr. Anke Lesinski-Schiedat. „Vor dem Hintergrund der noch ungelösten Probleme werden aber unsere Kolleginnen und Kollegen in den Praxen bei einem verfrühten Start der ePA zu unfreiwilligen Teilnehmern einer quasi ‚Testphase 2.0‛ im Praxis-Vollbetrieb. Das ist weder leist- noch zumutbar.“

Seit 15. Januar haben schrittweise nahezu alle Kassenpatienten eine ePA bekommen – außer sie widersprechen. Befunde, Laborwerte und Angaben zu Medikamenten sollen hier gesammelt werden und Patient:innen ein Leben lang begleiten. Einsehbar ist die ePA über Apps der Krankenkassen.

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