Die Versicherten hierzulande warten nicht auf das E-Rezept – sie wissen nicht einmal, dass es kommt. Das ergab eine Umfrage des Instituts Kantar im Auftrag der Abda. Und selbst wenn sie davon wissen: Nicht nur wegen der räumlichen Einschränkung bei der Einführung, sondern vor allem wegen der komplizierten Anmeldung zur App der Gematik werden dieses Jahr kaum Versicherte das E-Rezept im gewollten Umfang nutzen können. Der Abda ist das Problem bekannt – eine bessere Lösung hat sie nach eigenen Angaben aber nicht.
Es wird immer deutlicher, dass das E-Rezept keinen großen Aufschlag erhält – sondern die meisten Versicherten wohl im Laufe des kommenden Jahres eher nebenbei davon erfahren, weil sie in der Praxis statt eines rosafarbenen einen weißen Zettel in die Hand kriegen. Selbst wenn sie wollen, können die allermeisten von Ihnen dann aber mit der Gematik-App nicht viel mehr machen, als den QR-Code auf dem Zettel einzuscannen und dort zu speichern. Denn für alles andere müssen sie eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) besitzen und die Funktion mit einer bei der Kasse beantragten PIN freischalten.
Kaum jemand hat das bisher – das Nadelöhr sei damit ein „Showstopper“ bei der E-Rezept-Erprobung, wie Abda-IT-Chef Sören Friedrich am Freitag einräumte. Der Gesetzgeber hat das bereits erkannt und den GKV-Spitzenverband aufgefordert, bis 2022 eine alternative Zugangsmöglichkeit zu entwickeln, um die flächendeckende Nutzung des vollen Funktionsumfangs der Gematik-App zu gewährleisten.
Doch wie könnte die aussehen? Da tappt auch die Abda noch im Dunkeln: „Wenn wir eine Idee hätten, würden wir dort Unterstützungsarbeit leisten“, sagte Friedrich und verweist auf die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und GKV-Spitzenverband im Kreis der Gematik-Gesellschafter.
Angedacht sei ein einmaliges Verfahren. „Wir würden da auf biometrische Anmeldeverfahren wie Fingerabdruck oder Face-ID setzen“, sagt Friedrich. „Da haben wi aber leider nicht die eine Master-Lösung, die wir anbieten können.“ Doch auch das hätte erhebliche Nachteile, nicht zuletzt die noch höhere technische Hürde: Denn sichere biometrische Verfahren sind im Funktionsumfang von Smartphones erst in den zurückliegenden Jahren zum Standard geworden. Wer ein älteres Smartphone besitzt, wäre damit ausgeschlossen.
Offensichtlich warten die Versicherten aber ohnehin nicht händeringend darauf, die E-Rezept-App nutzen zu können. Die Mehrheit von ihnen weiß nicht einmal, dass sie kommt, wie aus einer von der Abda in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage hervorgeht. Demnach haben 63 Prozent der Menschen in Deutschland noch gar nicht davon gehört, dass das E-Rezept kommt. 20 Prozent sagen, sie hätten „früher mal davon gehört“. Nur 17 Prozent gaben an, in diesem Jahr bereits von der bevorstehenden Einführung des E-Rezepts gehört zu haben. Und wenn sie davon gehört haben, dann zu 69 Prozent aus den Medien. Krankenkasse und Arztpraxis folgen mit 18 und 13 Prozent weit abgeschlagen. Nur 11 Prozent gaben an, in der Apotheke vom E-Rezept gehört zu haben.
Wann das E-Rezept kommen soll, wissen die Versicherten erst recht nicht – nur 4 Prozent sind im Bilde. 95 Prozent gaben an, dass sie den Zeitpunkt der verpflichtenden Einführung nicht kennen. „De facto weiß es also niemand“, sagte Kantar-Demoskop Torsten Schneider-Haase bei der Vorstellung der Zahlen. Nach möglichen Vorteilen gefragt, gaben mit 69 Prozent die meisten Befragten an, dass die Papiereinsparung dem Umweltschutz nütze. Ein frommer Wunsch, wenn man bedenkt, dass Experten davon ausgehen, dass die absolute Mehrheit der Verordnungen in den kommenden Jahren trotzdem als Ausdruck in die Apotheke getragen werden wird.
Mehr Komfort, eine unkomplizierte Kommunikation mit der Apotheke und eine schnellerer Erwerb der Medikamente folgen mit 53, 50 und 39 Prozent erst auf dem 2. bis 4. Platz. 14 Prozent erwarten gar keine Vorteile durch das E-Rezept. Umgekehrt befürchten 48 Prozent der Befragten, dass sie künftig keine Beratung mehr in der Apotheke erhalten, 46 und 38 Prozent befürchten Datenschutzprobleme und weniger soziale Kontakte. Mit immerhin 23 Prozent erwartet beinahe jeder vierte Befragte, dass das E-Rezept keine Nachteile gegenüber dem Papierrezept bringt.
75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie auch mit dem E-Rezept ihre Arzneimittel in Vor-Ort-Apotheken abholen wollen, 9 Prozent würden den Botendienst nutzen. 14 Prozent gaben an, dass sie ihre Verordnungen an Versandapotheken schicken wollen. „Das heißt, Versandapotheken spielen nur eine untergeordnete Rolle“, sagt Schneider-Haase. Allerdings: 14 Prozent wären eine knappe Verzehnfachung des jetzigen Rx-Marktanteils der Versender.
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