Das E-Rezept hat eine wichtige Schwelle genommen: Mehr als 10.000 E-Rezepte wurden laut Dashboard der Gematik inzwischen eingelöst. Allerdings sind noch immer nicht alle Softwarehäuser komplett einsatzbereit und auch bei den Krankenkassen gibt es spürbare Unterschiede. Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken sagte gegenüber APOTHEKE ADHOC, die Situation sei „noch immer nicht befriedigend“, er freue sich aber über die steigenden Zahlen nach anfänglichen Schwierigkeiten.
Stand heute um kurz nach Mitternacht wurden 10.086 E-Rezepte eingelöst. Die Kurve steigt nur allmählich an: Vor einer Woche waren es 8634 E-Rezepte. In der verlängerten Pilotphase sollen 30.000 E-Rezepte eingelöst und abgerechnet sein, bevor erneut Bilanz gezogen werden soll. Ein Drittel dieser Wegstrecke ist immerhin geschafft. Leyck Dieken hatte unlängst bei der Zukunftskonferenz VISION.A die Erwartung geäußert, dass bis zum Spätsommer das Ziel erreicht sein soll.
Noch heute hakt es allerdings an der Technik, wie Leyck Dieken auf Anfrage einräumt: „Tatsächlich ist die Situation bei den Softwareherstellern noch immer nicht befriedigend. Damit über 90 Prozent der Apotheken in Deutschland für das E-Rezept ready sind, müssen noch zwei Anbieter flächendeckend ihren Kunden Updates zur Verfügung stellen.“
Der „E-Rezept Ready Score“ führt unter anderem die beiden bedeutenden EDV-Anbieter CGM Lauer und ADG noch in der Kategorie „B“. Winapo ux und Winapo 64 Pro etwa haben zwar die Kriterien „Hersteller hat Anwender geschult“ und „System ist zur Testphase angemeldet“ erfüllt, noch keinen grünen Haken gibt es allerdings für „Hersteller hat die E-Rezept Funktion eingeführt und die Anwendung empfohlen“ und „System nimmt mit mindestens 5 Einrichtungen an Testphase teil“.
Auch Mitbewerber ADG hat seine beiden Systeme ADG A3000 und ADG S3000 noch nicht zur Anwendung empfohlen. Ebenso nicht ganz fertig sind die kleineren Warenwirtschaftssysteme Gawis, ApoOffice, Optipharm und Secret. Auf der anderen Seite haben Pharmatechnik, die Noventi-Systeme, Aposoft und Cida bereits ein „A“ und sind damit laut Gematik „ready“.
Deutlich schlechter sieht es im fein verästelten Markt der Praxisverwaltungssysteme (PVS) aus. Immerhin 18 Systeme bekommen ein „A“, drei weitere ein „B“. Aber 14 weitere Systeme landen in den Kategorien dahinter, haben teilweise noch keine E-Rezept-Funktion eingeführt oder sich noch gar nicht zur Testphase angemeldet. Und 19 weitere Anbieter haben bislang überhaupt keine Angaben gegenüber der Gematik gemacht, wie weit sie eigentlich sind.
Leyck-Dieken bemängelt, dass viele Hersteller der Praxissoftware-Systeme ihren Kund:innen noch nicht E-Rezept-Updates zur Verfügung gestellt haben. „Das ist aber notwendig, damit sich Ärztinnen und Ärzte damit vertraut machen können“, so der Gematik-Chef.
Seine großen Erkenntnisse aus der Testphase bislang? „Salopp gesagt, dass das E-Rezept funktioniert. Und zwar quasi unabhängig von den Systemen. Weiterhin gibt es bisher kein retaxiertes Medikament – was für die Stabilität der Prozesse spricht. Um es deutlich zu sagen: Die Testphase dient weitgehend den Softwareherstellern zum Feinschliff ihrer Programme. Die Kassen stehen mittlerweile bereit. Die Apotheken ebenfalls voraussichtlich im Laufe des Sommers.“
Was die Abrechnung betrifft scheint es in der Praxis – je nach Krankenkasse – allerdings noch gehörig zu ruckeln. Weil es teilweise Probleme bei der Befüllung der Felder vor der Übermittlung gibt, müssten E-Rezepte relativ häufig händisch korrigiert werden. Retaxationen können aufgrund einer Vereinbarung mit den Krankenkassen zwar tatsächlich vermieden werden, aktuell ist der Aufwand für die Rechenzentren aber noch recht groß, berichtet ein Anbieter. In der Branche besteht aber die Hoffnung, dass sich die Prozesse in den nächsten Wochen einspielen. Beim Branchenprimus Techniker Krankenkasse (TK) etwa laufe die Abrechnung schon wie geschmiert. Und die Rechenzentren sind ihrerseits unisono voll einsatzbereit: Alle haben gegenüber der Gematik angegeben, den Abrechnungsprozess erfolgreich durchlaufen zu haben.
Leyck Dieken ist insgesamt positiv gestimmt: „Ich freue mich, dass wir nach anfänglichen Startschwierigkeiten mittlerweile Kennzahlen haben, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist aber auch wichtig zu sehen, dass dies nur gemeinsam erreicht werden kann. Deswegen bin ich froh, dass die Gesellschafterversammlung im Januar einstimmig den Fortgang und das weitere Vorgehen beschlossen hat. Das lässt mich optimistisch auf die weiteren Vorhaben blicken, für die wir ebenfalls geschlossen einstehen müssen.
Seine Erwartung an den weiteren Zeitplan sieht so aus: „Der beflügelte Anstieg bei ausgestellten und eingelösten E-Rezepten in den vergangenen Tagen weist daraufhin, dass Praxen und Apotheken im Umgang und Prozedere zunehmend routinierter werden. Wenn jetzt die verbleibenden zwei großen Anbieter noch an den Start gehen, werden wir für die kommenden 10.000 weniger Zeit benötigen. Und mit der Routine kommt die Praxis und mit der Praxis der zunehmende Nutzen und schon bald kann man sich die Versorgung ohne E-Rezepte nicht mehr vorstellen.“
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