Für ein verzögertes Verabreichen der zweiten Dosis des Corona-Impfstoffs gibt es unter Experten Zustimmung – aber auch skeptische Einschätzungen.
„In dieser besonderen Pandemielage ist es vertretbar, mit den jetzt vorhandenen Impfdosen möglichst vielen Menschen erst einmal die erste Immunisierung zu ermöglichen, und die zweite Impfung verzögert, aber zwingend innerhalb von 60 Tagen, nachzuholen“, schreibt etwa die Gesellschaft für Immunologie in einer Stellungnahme. Sie verweist darauf, dass bereits die erste Dosis nach etwa zwei Wochen einen gewissen Schutz bieten kann.
Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten es in Ausnahmefällen für vertretbar, die Verabreichung der zweiten Dosis um etwa zwei Wochen hinauszuschieben. Idealerweise sollten die beiden für den Impfschutz nötigen Dosen aber im Abstand von 21 bis 28 Tagen gegeben werden, sagte Alejandro Cravioto, der Vorsitzende des Strategischen Beirats für Immunisierungsfragen (SAGE), der die WHO in Impffragen berät, am Dienstag in Genf. Ob das für Länder in Frage komme, hänge auch davon ab, wann sie wie viel Nachschub des Impfstoffs erhielten.
Ähnlich haben sich andere Wissenschaftsgremien bereits geäußert. Die britischen Behörden hatten angesichts der hohen Infektionszahlen und der Lieferengpässe mit dem Impfstoff einen noch größeren Abstand von bis zu zwölf Wochen empfohlen. Der Beirat gibt lediglich Empfehlungen heraus. Behörden steht es frei, ihre eigenen Richtlinien anzuwenden.
Sowohl die Zulassungsbehörden FDA und EMA als auch der Hersteller Biontech merken an, dass es bislang keine Daten dazu gibt, ob die Schutzwirkung nach der ersten Dosis länger als einige wenige Wochen hält. „Ich glaube, dass Menschen nach der ersten Spritze nicht gut geschützt sind“, sagt Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI). Publizierte Daten zur Immunantwort von Probanden zeigten, dass der Körper nach der ersten Dosis kaum schützende Antikörper bilde.
Für die volle Schutzwirkung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer sind zwei Injektionen im Abstand von etwa drei Wochen nötig. Da hierzulande aber der Impfstoff knapp ist, gibt es Überlegungen, die zweite Dosis nach hinten zu schieben, um zunächst möglichst vielen Menschen die erste Dosis verabreichen zu können.
Es gebe bislang zu wenige Informationen, um klare Empfehlungen für das Impfen von schwangeren und stillenden Frauen zu geben, teilte der WHO-Beirat weiter mit. Dabei müssten die individuellen Risiken abgewogen werden. Wenn die Frauen zu einer besonders gefährdeten Gruppe gehörten – etwa als Pflegekräfte – könne eine Impfung angezeigt sein.
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