Wucherpreis oder Fehler: Apotheke im Kreuzfeuer APOTHEKE ADHOC, 31.03.2020 15:05 Uhr
In Österreich ist eine Apotheke zu Unrecht zum Ziel der wütenden Masse geworden: Eine Kundin postete einen Kassenbeleg, demzufolge ihr die Apotheke zum Goldenen Stern in Eugendorf bei Salzburg für 500 ml Desinfektionsmittel 46 Euro abgerechnet hat. Die Presse berichtete darüber, entsprechend groß war die Empörung. Doch Inhaberin Ulrike Vogler stellte schnell klar, dass es sich nur um einen Fehler handelte. Bei den Empörten kommt das freilich nicht an.
Die Apotheke zum Goldenen Stern ist noch kein halbes Jahr alt und hat schon mit einem landesweiten PR-Desaster zu kämpfen – und noch dazu eines, bei dem sie kaum eine Schuld trifft. Los ging es wie so oft in den sozialen Medien: Dort postete eine Kundin am Samstag einen Kassenbon aus der Apotheke. Demzufolge hatte sie 45,90 Euro für einen halben Liter Desinfektionsmittel gezahlt. Ihrer Wut ließ sie im nebenstehenden Beitrag freien Lauf.
„Auf der Suche nach wirksamer Handdesinfektion besuchte ich die beiden Apotheken im Ort. Offensichtlich wittert eine davon nun das große Geschäft mit der Not! Anders kann ich mir den Wucherpreis für einen HALBEN LITER fertig gemischte Lösung nicht vorstellen“, schreibt sie. „Und dann wundern sich alle, warum man auf Amazon einkauft!“
Es dauerte nur Stunden, bis das Boulevardportal OE24 den Post aufgriff – und entsprechend an der Empörungsschraube drehte, als es über den „Wirbel um Wucher-Preise“ berichtete: „Abzocke in Apotheke: 46 Euro für Händedesinfektion!“ Dank der Überschrift ermutigte der Artikel die Leser zu Hunderten von Kommentaren. „Nach der Krise die Lizenz in Frage stellen – denn beim Angebot und Nachfrage Prinzip kann es keinen Gebietsschutz mehr geben!“, fordert da ein Leser. „Dann sollte eben noch mehr online bestellt werden, bis es auch der Letzte begriffen hat im Einzelhandel“, ein anderer. „Apotheken sind immer schon eine Abzocke gewesen. Verkaufen dauernd überteuerte Produkte und versuchen dauernd irgendwas zusätzlich zu verkaufen“, lässt sich ein weiterer Leser aus.
Inhaberin Ulrike Vogler hat unterdessen weder von dem Fall, noch von der Berichterstattung darüber etwas mitbekommen. „Ich war die Letzte, die davon erfahren hat“, sagt sie. Umso größer war der Schock, als sie am Samstag einen unerwarteten Anruf erhielt: Die Präsidentin der Apothekerkammer Salzburg, Kornelia Seiwald, wollte nachfragen, was denn da bei ihr los sei. „Daraufhin bin ich direkt in die Apotheke gehetzt, um zu schauen, was denn da passiert ist, und habe direkt eine Stellungnahme für die Kammer geschrieben.“ Die Lösung des Rätsels war schnell gefunden: „Eine Mitarbeiterin war in der Zeile verrutscht und hat den Preis falsch eingegeben“, erklärt Vogler – ein Fehler, der nicht passieren darf, aber trotzdem vorkommt, vor allem in den momentan hektischen Zeiten. „Sowas passiert, weil alles immer schnell gehen muss“, sagt die Inhaberin. „Wir haben die Apotheke voller Kunden, die warten, gleichzeitig müssen wir am Telefon sein, Mails von den Ärzten beantworten, dann noch Desinfektionsmittel herstellen und abfüllen und so weiter. Wenn man gleichzeitig immer wegschaut, passieren eben Fehler. Dazu stehe ich, das hätte mir auch passieren können.“
Was sie dennoch wundere: Wenn die Frau sich so über den Preis empört, warum hat sie nichts gesagt, sondern einfach bezahlt? „Sie hat nicht einmal Rücksprache gehalten, sondern den Zettel genommen und dann ins Netz gestellt. Das fand ich etwas unfair“, so Vogler. Dennoch, der Fehler war schnell ausgebügelt: Über Facebook kontaktierte sie die Kundin, klärte sie über den Fehler auf und bot die Auszahlung des Differenzbetrages von 25,65 Euro – der eigentliche Preis betrug 20,25 Euro – sowie als Wiedergutmachung eine zusätzliche Flasche Desinfektionsmittel an. Sie lehnte dankend ab und bat Vogler, den Betrag an eine Rettungsorganisation zu spenden. Sie werde die Summe auf 100 Euro aufrunden und das Geld spenden, versichert Vogler. Der Richtpreis für 100 ml Desinfektionsmittel liegt in Österreich übrigens bei fünf bis sieben Euro – Vogler liegt mit ihrem Preis also sogar noch darunter. Den rechtfertigt sie vor allem durch die gestiegenen Einkaufskosten.
Die Kundin hat ihren Post unterdessen ergänzt und darauf hingewiesen, dass es sich um einen Fehler gehandelt hat. Die Boulevardseite hat über den zweiten Teil der Geschichte nicht berichtet. Für Vogler bleibt deshalb neben dem Imageschaden vor allem viel Arbeit – sie habe massenhaft Mails mit Fragen zu dem Vorkommnis erhalten, die bei der sowieso gestiegenen Arbeitsbelastung mehr als ungebeten kommen, sagt sie. „Da bin ich ein bisschen zum Handkuss gekommen – als hätte ich gerade sonst keine Probleme.“