Während der Corona-Pandemie beobachteten Ärzte immer wieder, dass es vor allem bei Kindern nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu einer multisystemischen Entzündungsreaktion (MIS) gekommen war. Immunologen haben nun versucht die Ursachen zu ermitteln.
Meist erkranken Kinder nur mit leichten Symptomen an Covid-19. Viele von ihnen stehen die Infektion auch gänzlich asymptomatisch durch. In einigen Fällen ist es jedoch mit einer zeitlichen Verzögerung zu einem besonderen Erkrankungsbild gekommen: Im Rahmen einer Sekundärinfektion litten die betroffenen Kinder an einer überschießenden Immunreaktion. Oftmals wurde diese mit dem Kawasaki-Syndrom verglichen.
Rund drei bis vier Wochen nach der Covid-Infektion entwickelten die Kinder plötzlich hohes Fieber. Die Entzündungswerte zeigten zudem einen starken Anstieg. Die Erkrankung machte eine Behandlung auf der Intensivstation erforderlich. Einige Patienten erlitten ein Organversagen – vor allem das Herz war häufig betroffen.
Meist sind Kinder von der Symptomatik betroffen, die Centers for Disease Control and Prevention gaben ihr daher den Namen MIS-C („children“). In Einzelfällen wurde auch bei Erwachsenen über ähnliche Reaktionen berichtet. Diese werden als MIS-A („adults“) bezeichnet. Auffällig war, dass die Laboruntersuchungen der Betroffenen zeigten, dass verschiedene Entzündungsparameter erhöht waren – darunter C-reaktives Protein, Blutsenkungsreaktion oder Procalcitonin.
Forscher:innen der Perelman School of Medicine in Philadelphia haben nun versucht herauszufinden, was hinter der überschießenden Entzündungsreaktion steckt. Ihre Ergebnisse wurden im Fachjournal „Science Immunology“ vorgestellt. Bislang sind die genauen Ursachen des MIS nicht bekannt. Es wird jedoch von einer Störung des Immunsystems ausgegangen. Deshalb bestimmte das Team bei 14 an MIS erkrankten Kindern mehr als 200 immunologische Parameter und verglich sie mit den Daten von 16 Kindern, die an Covid-19 erkrankt waren.
Dabei zeigte sich, dass die Kinder, die ein MIS entwickelt hatten, eine stärkere Aktivierung der T-Zellen aufwies, die auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für den Botenstoff „CX3CR1“ tragen. Dieser wird von den Endothelzellen der Blutgefäße gebildet und stellt eine Andockstelle für Lymphozyten dar. Außerdem kam es zu erhöhten D-Dimer-Werten und einem Abfall von Thrombozyten. Die Forscher sehen darin eine Bestätigung für die Beteiligung der Blutgefäße beim MIS, welche auch beim Kawasaki-Syndrom auftritt.
Die Änderungen der Laborparameter sprechen dem Team zufolge für eine Aktivierung der Blutgerinnung und einer damit verbundenen Thromboseneigung. Ähnliche Auswirkungen auf die Endothelien wurden auch bei Erwachsenen mit einer Covid-Infektion festgestellt. Bei Kindern mit MIS liegt die eigentliche Corona-Infektion jedoch schon einige Wochen zurück.
Es ist bekannt, dass Virusinfektionen die Expression von CX3CR1 steigern können. Das Team geht deshalb von einer verschleppten Infektion mit Sars-CoV-2 aus: Das Immunsystem der betroffenen Kinder konnte Sars-CoV-2 nicht vollständig eliminieren – das könnte dazu führen, dass nach einigen Wochen eine zweite Immunreaktion entsteht. Möglich seien jedoch auch andere bisher unbekannte Trigger. Auffällig war, dass die meisten Kinder mit MIS einen positiven Rachenabstrich aufwiesen. Der Ct-Wert war jedoch meist niedrig, was auf eine geringe Virusmenge hinweist. Dennoch sind die positiven Ergebnisse ungewöhnlich, da die eigentliche Akut-Infektion schon einige Wochen zurückliegt. Antikörpertests der Kinder fielen ebenfalls positiv aus.
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