Apotheken können motivieren

Welche Impfquote ist notwendig?

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Berlin -

Welche Impfquote ist in Deutschland notwendig und auch realistisch, um Covid-19 in den kommenden Monaten zu kontrollieren? Dieser Frage geht das Robert Koch-Institut (RKI) nach. Basierend auf Ergebnissen mathematischer Modellszenarien und Bevölkerungssurveys zur Impfakzeptanz wagt das Institut eine Prognose. Apotheken können in den kommenden Wochen durch Aufklärung dazu beitragen, die Motivation weiterhin hoch zu halten.

Die aktuellen Inzidenzen sind bundesweit niedrig. Das gute Wetter lockt die Menschen nach draußen. Viele Freizeitmöglichkeiten haben wieder geöffnet und die Außengastronomie kann ohne Test und Impfung in Anspruch genommen werden. Da lassen sich der bevorstehende Winter, die aufkommenden Mutationen und die noch nicht erzielte Herdenimmunität leicht vergessen. Das Impfinteresse scheint zu sinken. Vielerorts beklagen Ärzt:innen, dass Impfstoff liegen bleibt – nicht selten, weil die Patient:innen die Zweitimpfung nicht wahrnehmen. Doch ist es wichtig, dran zu bleiben – das RKI hält eine Impfquote von 70 Prozent nicht mehr für tragbar.

Um herauszufinden, welche Impfquote mit aktuellem Stand der Varianten nötig wäre, um Covid-19 zu kontrollieren, bedient sich das RKI verschiedener Modellszenarien, in denen der Einfluss der Impfquote auf die Covid­19­-Inzidenz und auf die Intensivbettenbelegung bis ins Frühjahr 2022 simuliert. Der Einfluss verschiedener Faktoren auf den Effekt der Impfquoten wurde durch mehrere Sensitivitätsanalysen geprüft. Die Ergebnisse sind im aktuellen epidemiologischen Bulletin veröffentlicht.

Delta fordert höhere Impfquote

In den vergangenen Monaten fiel beim Thema Herdenimmunität immer wieder die Angabe von 70 Prozent. Der Begriff hat mehrere Bedeutungen. In der Corona-Debatte in Deutschland ist in der Regel gemeint, dass ausreichend viele Menschen nach Impfung oder durchgemachter Infektion immun geworden sind, um die Ausbreitung des Erregers stark abzubremsen. Die Vorstellung ist, dass das Virus dann weniger zu den noch anfälligen Menschen gelangt. Von einem solchen Schutz durch Gemeinschaft würden etwa Menschen profitieren, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.

Doch das RKI spricht nun von höheren Impfquoten zur Kontrolle von Covid-19. Grund heirfür sei vor allem die Delta-Variante. Weitere Mutationen könnten ebenfalls dafür sorgen, dass die Impfquote höher als vor Monaten angenommen ausfallen muss, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren. „Die Ergebnisse zeigen, dass unter den getroffenen Annahmen, insbesondere einer zunehmenden Dominanz der Delta­-Variante, die Impfkampagne mit hoher Intensität weitergeführt werden sollte, bis mindestens 85 Prozent der 12- bis 59­-Jährigen beziheungsweise 90 Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft sind“, heißt es im epidemiologischen Bulletin. Stand Anfang Juni waren 84 Prozent der über 60-Jährigen mindestens einmal geimpft. Es bestand eine Impfbereitschaft, die eine Ziel-Impfquote von über 80 Prozent ermöglichen würde.

Um einen Herbst ohne weitere Welle zu erleben, sei es wichtig, die Motivation der Bevölkerung weiterhin hoch zu halten. Es dürfe nicht dazu kommen, das Bürger:innen ihre Termine nicht wahrnehmen. Ebenfalls müsse ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Zweitimpfung erfolgen muss, um einen ausreichend hohen Impfschutz zu erzielen. Die alleinige Erstimpfung reicht nicht aus, um eine Herdenimmunität zu erreichen. „Unter Annahme dieser Impfquoten und in Kombination mit Basishygienemaßnahmen und einer geringfügigen Reduktion des Kontaktverhaltens sollte es im Herbst/Winter nicht mehr zu einem starken Anstieg der Covid­-19­ bedingten Intensivbettenbelegung kommen“, schreibt das RKI.

Aufgabe der Apotheke verlagert sich

Zu Beginn bestand die Aufgabe der Apotheke vor allem darin, den Menschen die Angst vor der Impfung zu nehmen. Die mRNA-Technolgie war eine völlig neue, da mussten die Apotheker:innen und PTA zum Teil viel Aufklärungsarbeit leisten. Im vergangenen Dezember waren es vor allem die Kinder und Enkelkinder, die ihre Familienmitglieder zur Impfung motivierten – für ein gemeinsames Ostern, einen gemeinsamen Geburtstag, eine anstehende Hochzeit.

Doch gerade die Jüngeren scheinen jetzt „impfmüde“ zu werden. Lockerungen in Bezug auf Personenobergrenzen und weitläufige Öffnungen tragen dazu bei, dass die Notwendigkeit der Impfung in den Hintergrund rückt. Innerhalb des Beratungsgespräches können Aspekte wie die Delta-Variante, die Einflüsse des Sommers und die bevorstehenden Herausforderungen erläutert werden. Das RKI appeliert an alle Bürger:innen, nicht die Motivation für die Impfung – egal ob Erst- oder Zweitimpfung – zu verlieren. Apotheken sollten darüber aufklären, dass der zweite Termin unbedingt im vorgegebenen Zeitrahmen wahrgenommen werden sollte. Nur so kann ein ausreichender Schutz vor allen Corona-Varianten erzielt werden.

Weiterhin Vertrauen schaffen

„Mit zunehmendem Vertrauen in die Impfung und geringeren strukturellen Barrieren steigt also die Wahrscheinlichkeit, bereits mindestens eine Impfung erhalten zu haben“, heißt es im Bulletin. Das RKI führt monatliche Telefon-Surveys durch, um die Impfinanspruchnahme, Impfintention und Impfakzeptanz abbilden zu können. Hier zeigt sich, dass die Befragten bei gutem Informationsstand eher impfen lassen. Befragt werden Personen ab 18 Jahren. In der letzten Umfrage war die Gesamt-Impfakzeptanz sehr hoch. Bei den 18- bis 59-Jährigen lag sie bei 83,9 Prozent, bei den über 60-Jährigen bei 94,8 Prozent. Apotheken sollten also immer dort, wo noch offene Fragen zur Impfung auftreten, Antworten geben und dem Thema Impfaufklärung nicht müde werden. Mittlerweile gibt es zahlreiche Informationsbroschüren vom RKI, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder den Herstellern selbst. Diese können den Kund:innen mitgegeben werden.

Schutz vor Erkrankung oder Infektion?

Die Diskussion darüber, ob geimpfte Personen noch einen Beitrag zum epidemiologischen Geschehen leisten, kann laut RKI nun beendet werden. Mittlerweile zeigen über 15 Studien, dass ein abgeschlossenes Impfregime sowohl einen Schutz vor jeglicher Infektion als auch vor asymptomatischen Infektionen bietet. Das RKI gibt je nach Impfstoff eine Schutzwirkung von 80 bis 90 Prozent an. „Bei Personen, die trotz Impfung PCR­-positiv getestet wurden, konnte darüber hinaus eine signifikant geringere Viruslast und auch eine verkürzte Dauer der Virusausscheidung nachgewiesen werden. Aus diesen Daten kann abgeleitet werden, dass die Covid­-19­-Impfung eine Virustransmission in erheblichem Maße reduziert und dass vollständig geimpfte Personen in Bezug auf die Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen“, so das RKI.

Das RKI betont, dass die im Bulletin geschilderten Szenarien keine exakten Prognosen abbilden, sondern eher einer Abschätzung dienen. Der Einfluss der verschiedenen Maßnahmen auf das Infektionsgeschehen soll aufgezeigt werden.

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