Wegen Hüffenhardt: Union streicht Arzneimittelautomaten Lothar Klein, 07.05.2020 11:53 Uhr
Mit dem zweiten Corona-Gesetzespaket wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Kliniken mit eigenen Apotheken eigentlich einen Testlauf für Arzneimittelautomaten starten. Unter strengen Auflagen sollten damit Stationen versorgt werden können. So hatte es auch das Kabinett beschlossen. Diese Modellversuche sind jetzt wieder aus dem Gesetz, das heute in erster Lesung im Bundestag beraten wird, herausgeflogen – ebenso wie der ursprünglich geplante Immunitätsausweis. Manche Abgeordnete reiben sich verwundert die Augen angesichts der unübersichtlichen Gesetzesakrobatik.
Am 29. April hatte das Bundeskabinett das von Spahn vorgelegte „Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ einschließlich der Arzneimittelautomaten beschlossen. Im Bundestag beraten wird dieser Entwurf trotzdem nicht. Denn in der Zwischenzeit haben die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD einen eignen Gesetzentwurf mit identischem Titel eingebracht. Dies beschleunigt das Gesetzgebungsverfahren. Im Gesetzentwurf der Fraktionen sind beide strittigen Punkte nicht mehr enthalten. In der Regel liefert das Bundesgesundheitsministerium den Text für den Gesetzentwurf der Fraktionen.
Dem Vernehmen nach gab es vor allem in der Union Widerstand gegen die von Spahn geplanten Arzneimittelautomaten in Kliniken. Mit Blick auf den gescheiterten Versuch von DocMorris, in Hüffenhardt einem Abgabeautomaten zu etablieren, wollte man keinen Präzedenzfall schaffen. Bekanntermaßen kommen einflussreiche Gesundheitspolitiker der Union aus Baden-Württemberg. Dem musste sich Spahn wohl beugen.
Einen Rückzieher gemacht hat Spahn auch beim Immunitätsausweis für eine Corona-Infektion. Nach massiver Kritik will der Bundesgesundheitsminister zunächst eine Stellungnahme des Ethikrats abwarten. Kritik an den Überlegungen, solche Nachweise der Immunität einzuführen, kam vom Koalitionspartner SPD und Patientenschützern. Das war die Idee: Wer infolge einer bereits durchlebten Corona-Infektion nach aktuellen Erkenntnissen immun gegen eine erneute Ansteckung ist, könnte dies über einen speziellen Ausweis belegen. Mit diesem könnten dann individuelle Lockerungen der Corona-bedingten Beschränkungen verbunden sein.
Spahn erklärte dazu, dass es vorerst keine Regelungen geben soll, inwiefern solche Immunitätsnachweise Ausnahmen von Alltags-Beschränkungen ermöglichen könnten. Er habe den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme dazu gebeten. In der Koalition sei vereinbart worden, bis dahin keine gesetzliche Regelung zu dieser Frage vorzunehmen. Neben der Opposition hatte sich zuletzt auch SPD-Chefin Saskia Esken skeptisch über Pläne für Immunitätsnachweise geäußert.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte, es könne dazu kommen, dass sich Menschen absichtlich infizierten und damit in Gefahr brächten, um immun gegen das Virus zu werden, „auch aus wirtschaftlicher Not“. „Wenn es aber einen Impfstoff gibt, ist ein Immunitätsausweis sinnvoll“, sagte der SPD-Politiker.
Auch Patientenschützer lehnen einen Nachweis für eine Immunität, rundweg ab. „Der Immunitätsausweis wäre ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Vorschlag gehe „ethisch weit über die aktuelle Bekämpfung der Pandemie hinaus“, beklagte er. „Denn während die Immunisierten Teilhabe am öffentlichen Leben erhalten, wird sie den Nichtimmunisierten verwehrt. Das ist zutiefst diskriminierend.“ Zudem verleite der Immunitätsausweis zu vorsätzlichen Selbstinfektionen. „Der Hochrisikogruppe bliebe dann nur die Wahl zwischen langanhaltender Isolation oder Lebensgefahr. Eine solche Spaltung der Gesellschaft ist unverantwortlich“, kritisierte Brysch.