Warnung vor vermeintlichen Corona-Wundermitteln dpa/APOTHEKE ADHOC, 24.11.2020 17:26 Uhr
Der Wunsch nach Schutz vor Covid-19 ist groß. Für einige Anbieter scheint die Pandemie ein Glücksfall zu sein, um ihre Produkte mit einer nicht nachgewiesenen antiviralen Wirkung zu vermarkten. Verbraucherzentralen warnen immer wieder vor dubiosen Anbietern, die ihre Produkte zum Schutz vor Covid-19 vertreiben. Egal ob CBD, Sonnenhut, Schwefel oder Vitamin D – eine Evidenz zur Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 weist keine dieser Substanzen auf.
Die Krise kennt viele Gewinnler und nicht alle arbeiten mit legalen Mitteln. MSM, MMS und sonstige undurchsichtige Abkürzungen – alle diese Stoffe gerieten in den vergangenen Wochen in den Fokus, da sie eine Wirkung gegen Sars-CoV-2 aufweisen sollen. Wissenschaftlich belegt ist hiervon nichts. Bei MSM handelt es sich um Methylsulfonylmethan – der einfachsten organischen Schwefelverbindung aus der Stoffklasse der Sulfone. Als Nahrungsergänzungsmittel sollen Kapseln und Tabletten mit MSM einem Schwefelmangel vorbeugen. Durch einen guten Schwefelhaushalt soll der Organismus besser in der Lage sein, Infekte abzuwehren. Ernährungswissenschaftler können der Substanz keine Immunsystem-fördernde Wirkung zusprechen. Auch ein Schwefelmangel sei laut der Deutschen Ernährungsgesellschaft und dem Bundesinstitut für Risikobewertung kaum möglich.
Noch unwirklicher wird es bei der Betrachtung von MMS. Hinter dieser Abkürzung, die für Miracle Mineral Supplement steht, verbirgt sich ein Substanzgemisch aus Natriumchloritlösung und Zitronensäurelösung, eine Kombination die zur Wasseraufbereitung genutzt wird. Nach der „Aktivierung“ entsteht Chlordioxid – eine Substanz die reizend bis ätzend wirkt. Seit Jahren steht die Substanz in der Kritik. Bereits 2012 bewertete das BfR die Substanz als schädlich für den Organismus: „Chlordioxid weist stark oxidative Wirkungen auf und wirkt auf Haut und Schleimhaut je nach Konzentration reizend bis ätzend. Industriell wird dieser Stoff als Mittel zur Desinfektion sowie zum Bleichen, beispielsweise von Zellstoff und Textilien, verwendet.“ In der Pandemie erlebt MMS ein Revival – doch auch 2020 gilt: Eine wissenschaftliche Basis für die antiviralen Wirkungen gibt es nicht.
Experten warnen vor zahlreichen solcher dubiosen Corona-Schutz-Versprechen. Das Angebot reicht von Mitteln wie Ingwerextrakt und Hanföl bis zu Vitaminen. „Unter den Nahrungsergänzungsmitteln gibt es keine Wundermittel gegen Covid-19“, betonte Friedel Cramer, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), am Dienstag in Berlin. „Es ist meiner Meinung nach unerhört, wie manche Händler in der derzeitigen Situation versuchen, aus den Ängsten der Menschen Profit zu schlagen.“ Nahrungsergänzungsmittel könnten Covid-19-Erkrankungen weder verhindern noch heilen. Sie dürften auch nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen beworben werden.
In Deutschland haben die Kontrollstellen der Länder bereits 60 derartige Angebote im Internet gefunden. Im Zuge einer europaweiten Kontrollaktion wurden bisher 592 auffällige Internetseiten identifiziert. Die deutschsprachigen Angebote wurden laut BVL zur Überprüfung an die zuständigen Überwachungsbehörden weitergeleitet. Nach Kontrollen seien die Angebote geändert oder gelöscht worden.
Verbraucherzentralen warnen bereits seit Längerem vor unseriösen Anbietern und gehen dagegen vor. „Immer mehr Hersteller bewerben ihre Nahrungsergänzungsmittel oder Pflanzenextrakte mit angeblichem Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus. Doch das ist in der Regel nicht erlaubt“, hieß es etwa in einer Mitteilung der Berliner Verbraucherzentrale vom Juni. Sie ging unter anderem gegen ein Unternehmen vor, das damit warb, Hanföl könne die Empfänglichkeit gegenüber allen Arten von Virusinfektionen verringern. Ein weiterer Anbieter bewarb ein „Immunity Set“ – verschiedene Pflanzenpulver zur Herstellung von Smoothies, die vermeintlich einen Beitrag zur Bekämpfung des Coronavirus leisten sollten. Gegen diesen Anbieter klagte die Verbraucherzentrale.
Auch Produkte aus dem Reformhaus und der Apotheke geraten immer wieder als Hoffnungsträger in die Schlagzeilen. So auch ein pflanzliches Mittel aus dem Sonnenhut. Echinaforce wurde als vermeintliches Wundermittel gegen Sars-CoV-2 angepriesen – eine Studie würde die Wirkung untermauern. Schon damals ruderte das Labor wenige Tage später zurück, nun relativiert es die Ergebnisse erneut. Das Labor Spiez, welches dem Naturheilmittel die Wirkung gegen Sars-CoV-2 bescheinigt hatte, meldete sich wenig später zu Wort: Die im „Virology Journal“ publizierten Ergebnisse seien lediglich in-vitro festgestellt worden. Neben dem Echinacea-Extrakt könnte zudem auch der als Extraktionsmittel verwendete Alkohol für die In-vitro-Wirksamkeit verantwortlich sein.