Seit diesem Sonntag gelten in der Corona-Pandemie bestimmte Einschränkungen für Geimpfte und Genesene nicht mehr. Bislang betrifft das nur einen kleinen Teil der Menschen. Vertreter von Politik und Polizei befürchten Fälschungen, etwa von Impfpässen.
Für vollständig gegen Corona Geimpfte und Menschen, die eine Infektion nachweislich schon durchgemacht haben, sind seit diesem Sonntag bundesweit wesentliche Einschränkungen aufgehoben. Seit Mitternacht gilt eine neue Verordnung. Demnach können sich diese Menschen uneingeschränkt mit anderen Menschen treffen und müssen auch nächtliche Ausgangsbeschränkungen, die aufgrund der sogenannten Bundes-Notbremse verhängt wurden, nicht mehr beachten. Vollständig geimpft sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Samstag bisher knapp 7,6 Millionen Menschen (9,1 Prozent). Fast 27 Millionen Menschen haben eine Erstimpfung erhalten (32,3 Prozent). Vor allem der ältere Teil der Bevölkerung ist zunehmend geimpft.
Geimpfte und Genesene dürfen sich privaten Rahmen wieder ohne Einschränkungen mit anderen Geimpften und Genesenen treffen. Bei Treffen mit Ungeimpften zählen Geimpfte und Genesene laut Verordnung ebenso wie Kinder unter 14 nicht mehr mit. Auch die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gelten für sie nicht mehr. Nach Reisen müssen vollständig Geimpfte und Genesene nur noch in Ausnahmefällen in Quarantäne – etwa, wenn sie aus einem Virusvariantengebiet einreisen.
Personenbeschränkungen für kontaktlose Individualsportarten, also beispielsweise Joggen, entfallen für diese Gruppen ebenfalls. Und schließlich müssen sie beim Einkaufen oder beim Friseur keinen negativen Test mehr vorweisen. Es reicht dann der Impfnachweis, etwa das gelbe Impfheft. Die Maskenpflicht an bestimmten Orten und das Abstandsgebot im öffentlichen Raum gelten aber weiterhin für alle.
Als vollständig geimpft gelten die, die ihre notwendige letzte Spritze – in der Regel sind es zwei – vor mindestens zwei Wochen bekommen haben. Wer schon nachweislich von Corona genesen ist und sich impfen lässt, gilt schon nach einer Spritze als vollständig geimpft. Als genesen gelten grundsätzlich diejenigen, die mit einem mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate alten positiven PCR-Test nachweisen können, dass sie eine Corona-Infektion hatten.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht warnte davor, Impfausweise zu fälschen oder gefälschte Dokumente zu nutzen. „Wer dies tut, setzt andere der Gefahr einer schweren Erkrankung aus und verhindert eine wirkungsvolle Bekämpfung der Pandemie“, sagte die SPD-Politikerin der „Welt am Sonntag“. „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die mit empfindlicher Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe geahndet werden kann.“ Das gelte nicht nur für die Fälscher, sondern auch für diejenigen, die die gefälschten Dokumente gebrauchten.
„Auch wer das echte Dokument eines anderen als sein eigenes ausgibt, macht sich strafbar“, mahnte sie. „Ich bin sicher, dass hier genau hingeschaut wird. Wer täuscht, fliegt schneller auf als er denkt und riskiert ein Strafverfahren.“ Lambrecht sagte, das geplante digitale Impfzertifikat müsse gerade mit Blick auf die anstehende Urlaubssaison „schnellstmöglich“ kommen. „Wir müssen dabei sicherstellen, dass die Übertragung von gefälschten Impfnachweisen auf das elektronische Zertifikat verhindert wird und die Taten zur Anzeige gebracht werden.“ Die Freigabe für die Übertragung soll es nach ihren Worten deshalb dort geben, wo auch geimpft worden sei. Der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Es gibt keine Standards für die Ausstellung von Attesten für Corona-Genesene. Dies lässt Spielraum für Täuschungsversuche.“
Nach Einschätzung des Deutschen Ethikrats wird die Aufhebung von Corona-Auflagen für Geimpfte und Genesene in der Gesellschaft zu Konflikten führen. Ethikratsvorsitzende Alena Buyx sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Kinder, Jugendliche, Auszubildende und Studentinnen sind nicht geschützt und dürfen weniger. Geimpfte dagegen haben den doppelten Vorteil: Sie sind geschützt und dürfen mehr.“ Damit gebe es ein echtes Solidaritäts- und Gerechtigkeitsproblem mit sozialer Spannung.
„Man muss aufpassen, dass die Spannung nicht zur Spaltung wird“, sagte Buyx. „Ich erwarte von der Politik, dass sie diese temporär ungerechte Situation ernst nimmt, anspricht und gestaltet.“ Es müsse Angebote für diejenigen geben, die ungeimpft weniger Freiheiten hätten. „Man könnte die freiwerdenden Testkapazitäten Familien und jungen Menschen anbieten.“ Auch eine Erhöhung des Impftempos könne zu einer gesellschaftlichen Entspannung beitragen. Es brauche auf jeden Fall „große und kreative Förderprogramme“ für die junge Generation, um die verschiedenen Belastungen und Rückstände zu kompensieren.
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