Antikörpertests können auch in der Apotheke durchgeführt werden. Hier kommen spezielle PoC-Geräte zum Einsatz. Die Analyse erfolgt auf Grundlage von Kapillarblut. Der Einsatz zur Bestimmung des Antikörpertiters vor einer bevorstehenden Booster-Impfung wird seitens der Ständigen Impfkommission (Stiko) nur begrenzt empfohlen. Fachgesellschaften wie der Verband der Diagnostica-Industrie plädieren dagegen für einen breiteren Einsatz der Nachweise – auch ohne fest definierte Grenzwerte der Antikörpertiter.
Kommt das Immunsystem das erste Mal mit einem Krankheitserreger in Kontakt, so bildet es Antikörper. Diese Aufgabe übernehmen die B-Lymphozyten. Bei erneutem Antigenkontakt werden diese Antikörper schnell freigesetzt, sodass keine Vermehrung des Eindringlings im ganzen Körper stattfinden kann. Diese Antikörper und die gebildete Menge kann in gewisser Weise mittels Antikörpertest abgeschätzt werden.
Es gibt verschiedene Arten von Antikörpertests. „Für eine möglichst genaue spezifische Aussage eines Antikörpertests konzentriert man sich auf die hochspezifischen Antikörper, die gegen die erregertypischen Proteine gerichtet sind“, informiert der Verein der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). Hierzu zählen folgende zwei Tests:
Die Menge an Antikörpern wird in der Einheit BAU/ml angegeben – Binding Antibody Units pro Milliliter Blut. Ab wann ein Test positiv ist, ist laut ALM von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. „Wir verwenden einen IgG-Antikörpertest, der bei Werten unter 33,8 BAU/ml negativ ist, darüber positiv. Die Werte sind nach Infektion und auch Impfung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Manche Menschen haben aber auch 2.000 BAU/ml.“
Aktuell gibt es keine offiziellen Grenzwerte, ab wann eine Impfung einen ausreichenden Impfschutz aufweist – und dennoch liegen den Analysegeräten Tabellen mit BAU-Einstufungen bei. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) erklärt, woran das liegt: „Die Höhe der Antikörpertiter eines Patienten ist nicht allein ausschlaggebend für einen bestimmten Immunschutz. Eine durch die natürliche Infektion hervorgerufene Immunantwort beziehungsweise die darauf basierende Immunität weist eine erhebliche interindividuelle Schwankungsbreite auf.“ Diese könne beispielsweise durch Unterschiede in der Infektionsdosis, aber auch der Dauer und der Schwere des Krankheitsverlaufes bedingt sein. „Dies ist der Grund, weshalb man derzeit zögert, offiziell allgemeingültige Werte für einen bestehenden Infektionsschutz zu etablieren.“ Aus der Forschung ließen sich jedoch mittlerweile belastbare Werte ableiten, die eine Orientierung zuließen. „Nicht umsonst werden Antikörpertests in anderen Gesundheitssystemen (z.B. Frankreich, Italien, UK, Österreich) bereits seit längerem und umfangreich eingesetzt, gerade auch zur Beurteilung des Impferfolges“, teilt der VDGH mit.
Ob nun Kapillarblut oder Vollblut für einen Antikörpertest genutzt wird, ist laut VDGH unerheblich. Die aktuell verfügbaren CE-zertifizierten Vor-Ort-Geräte zur Antikörperbestimmung seien zuverlässig. „Antikörpertests können im Zentrallabor ebenso wie vor Ort mit modernen und dafür geeigneten Point-of-Care-Geräten durchgeführt werden. Letztere sind für den mobilen Einsatz entwickelt. Antikörpertests der neuesten Generation sind problemlos skalierbar und im Automatenlabor ebenso wie in kleineren Laborumgebungen durchführbar. Sie liefern in kurzer Zeit quantitative Ergebnisse, die in der Regel mit dem Vorhandensein neutralisierender Antikörper korrelieren und gegen den derzeit verfügbaren WHO-Standard standardisiert sind.“
Was ein Antikörpertest tatsächlich bestimmt, ist von Hersteller zu Hersteller verschieden. „Es werden allerdings immer nur Antikörper bestimmt und hierbei sinnvollerweise die länger anhaltenden Antikörper vom IgG-Typ“, erläutert der VDGH. „Da die tatsächlich neutralisierende Wirkung von Antikörpern von Genesenen und Geimpften vor allem mit einer Blockade am S-Antigen des Virus einhergeht, werden auch nur Antikörpertests zur Bestimmung von Antikörpern gegen Teile oder das gesamte S-Antigen des Sars-CoV-2 Virus mit einer humoralen Immunität in Verbindung gebracht. Der zweite Ast der Immunantwort, die sogenannte zelluläre oder auch T-Zell Immunität, wird hierbei nicht gemessen.“
Der VDGH spricht sich für einen breiten Einsatz von Antikörpertests aus. „Der VDGH hält den Einsatz von Antikörpertests bei der Priorisierung der Booster-Impfung grundsätzlich für hilfreich. Denn alle Menschen, deren Antikörpertiter seit der Infektion oder seit der Impfung stark abgefallen ist, sollten priorisiert werden. Dies hilft den Menschen und erleichtert die Planung proaktiver Impfkampagnen.“
Stiko-Empfehlung: Der Einsatz der Antikörperdiagnostik wird bei Personen mit schwerer Immundefizienz vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis und vier Wochen nach der dritten Impfstoffdosis empfohlen.
Der Einsatz der Serologie trage zusätzlich dazu bei, den Immunstatus von Personen zu ermitteln, die von ihrer durchgemachten Infektion gar nichts wissen. „Dies hat einerseits einen epidemiologischen Zweck, andererseits wird solchen Personen seitens der Stiko auch keine Auffrischimpfung empfohlen. Und schließlich stellt die Möglichkeit, den Impferfolg durch Antikörperdiagnostik erfahrbar zu machen, einen Wert für sich dar. Mit Blick auf die Impfskeptiker kann die Durchimpfung dadurch verbessert werden.“
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