Von der Corona-Pandemie in die Adipositas-Epidemie? Cynthia Möthrath, 31.05.2022 14:17 Uhr
Weniger Bewegung, mehr Süßigkeiten: Die Pandemie hat bei vielen Menschen für ein paar Kilos mehr auf den Rippen gesorgt. Auch Kinder und Jugendliche sind einer Forsa-Umfrage zufolge von den Auswirkungen betroffen. Demnach hat jedes sechste Kind zugenommen. Expert:innen warnen bereits vor möglichen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem.
Die Auswirkungen der Pandemie auf die körperliche und psychische Gesundheit zeigen sich immer deutlicher. Eine Eltern-Umfrage der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) und des Else Kröner-Fresenius-Zentrums (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München zeigt, dass auch unter Kindern und Jugendlichen Übergewicht eine große Rolle spielt. Zwischen März und April wurden insgesamt rund 1000 Eltern mit Kindern im Alter zwischen 3 und 17 Jahren befragt.
Folgen könnten gravierend sein
Die Expert:innen sprechen mit Blick auf die Ergebnisse bereits von einer „Adipositas-Epidemie“, welche in den kommenden Jahren für große Probleme sorgen könnte. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat kürzlich vor den Folgen des Adipositas-Anstieges gewarnt und auf „nachteilige Veränderungen bei Ernährungs- und Bewegungsmustern“ durch die Corona-Pandemie hingewiesen.
Denn Übergewicht ist mit verschiedenen Folgeerkrankungen assoziiert. Vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien seien durch die Pandemie betroffen: Sie leiden mittlerweile doppelt so häufig unter Übergewicht wie Kinder und Jugendliche aus einkommensstarken Familien.
Ausmaß der Gewichtszunahme so groß wie nie
„Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen. Das ist alarmierend, denn Übergewicht kann schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen. Schon vor Corona waren 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht betroffen, sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht“, erklärt Dr. Susann Weihrauch-Blüher, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Halle/Saale und Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG.
Zuckersteuer & Co.: Sofortmaßnahmen erforderlich
„Die Krankheitslast ist ungleich verteilt und Corona hat das erheblich verschärft“, ergänzt Professor Dr. Hans Hauner, Direktor des EKFZ für Ernährungsmedizin und DAG-Vorstandsmitglied. „Die Folgen der Pandemie müssen aufgefangen werden, sonst werden die ‚Corona-Kilos‘ zum Bumerang für die Gesundheit einer ganzen Generation. Die Stärkung geeigneter Therapie-Angebote, die alle Gruppen gleichermaßen erreicht, ist nun von enormer Bedeutung.“, so Prof. Hauner.
Deshalb fordern die Expert:innen die Finanzierung der Adipositas-Therapie durch die Krankenkassen Regel zu machen. Außerdem müssten eine Besteuerung von Zuckergetränken, Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel und eine Stärkung der Adipositas-Therapie in den Fokus rücken.
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage im Überblick:
- 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dicker geworden, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 32 Prozent
- Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so häufig von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus einkommensstarken Familien (23 vs. 12 Prozent)
- 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen bewegt sich weniger als vor der Pandemie, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 57 Prozent
- Bei 33 Prozent der Kinder und Jugendlichen hat sich die körperlich-sportliche Fitness verschlechtert, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 48 Prozent
- Bei 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen belastet die Pandemie die seelische Stabilität „mittel“ oder „stark“
- 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben die Mediennutzung gesteigert
- 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen greifen häufiger zu Süßwaren als zuvor
- 34 Prozent der Familien essen häufiger gemeinsam als zuvor