Die Mutationen des Coronavirus sorgen derzeit für Verunsicherung. Dabei finden sich immer wieder verschiedene Namen – vor allem, wenn es um die erstmals in Südengland aufgetretene Mutation geht. Um für Klarheit im Namen-Dschungel der Virus-Varianten zu sorgen, debattieren Wissenschaftler derzeit über eine einheitliche Benennung.
Sie war zunächst als „B.1.1.7“ bekannt, während der Untersuchungsphase kam es außerdem zu der Bezeichnung „VUI 202012/01“. Als VUI (Variant Under Investigation) werden Virus-Varianten bezeichnet, deren konkrete Veränderungen und die damit einhergehende Bedeutung noch ermittelt wird. Kurz vor Weihnachten erhielt die Mutation aus Südengland nach einer Risikobewertung schließlich die Benennung einer „Variant Of Concern“ – kurz: VOC 202012/01. Geläufig ist vereinfacht allerdings auch der Name „britische Variante“.
Bei einem Treffen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich Forscher und Gesundheitsbeamte nun für ein einheitliches Benennungsystem ausgesprochen. „Alle sind sehr verwirrt von den verschiedenen Variantennamen“, erklärte Maria Van Kerkhove, Epidemiologin für Infektionskrankheiten und technische Leiterin für den Bereich Covid-19 bei der WHO in Genf. Auch die Bezeichnungen „Variante“, „Linie“ und „Stamm“ würden wechselnd gebraucht und häufig als Synonyme verwendet.
Das Benennungssystem soll unter anderem die evolutionären Beziehungen der Variante aufgreifen. Evolutionsbiologe Oliver Pybus von der University of Oxford sieht „die Notwendigkeit einer einfacheren Benennung jener Varianten, die von Bedeutung sind“ – allein aufgrund der hohen Relevanz für die Öffentlichkeit, wie das Fachjournal „Nature“ berichtet.
Mithilfe der Vereinheitlichung sollen auch Namen verschwinden, die eine Variante mit einem Land oder einer Region in Verbindung bringen. „Wir möchten, dass die neue Nomenklatur leicht verständlich ist und keine Ländernamen enthält, weil sonst geopolitische Fragen mitschwingen“, erklärte Van Kerkhove. Außerdem hätten sich verschiedene Varianten schnell verbreitet – sie seien somit möglicherweise nicht in dem Land identifiziert worden, in dem sie zuvor entstanden sind. Stigmatisierung spiele ebenfalls eine Rolle. „Auf gar keinen Fall wollen wir Behörden entmutigen, eine neue besorgniserregende Variante zu melden.“ Eine „nüchterne Benennung“ könne positive Auswirkungen haben – auch bei der Bündelung von Untersuchungsergebnissen zu den verschiedenen Mutationen.
Ob eine einheitliche Benennung umgesetzt wird, ist derzeit noch fraglich – geeinigt wurde sich bislang nicht. „Die Nomenklatur ist im Moment ein furchtbares Durcheinander“, findet Tulio de Oliveira, Bioinformatiker an der Universität von KwaZulu-Natal in Durban. Ein einheitliches Schema könnte „Hand in Hand mit Identifikationskriterien einhergehen“ und so die Bedenken der verschiedenen Varianten widerspiegeln, ähnlich wie ein Ampelsystem, erläuterte Pybus.
Bislang gehen die Impfstoff-Hersteller davon aus, dass die bisherigen Vakzine auch gegen die aufgetretenen Mutationen wirksam sind. Pfizer und Biontech führten Experimente mit sogenannten Pseudoviren durch, die das jeweilige Spikeprotein der echten Viren auf ihrer Oberfläche tragen. Die Forscher konnten zeigen, dass die Antikörper von insgesamt 16 Geimpften die Pseudoviren mit mutiertem Spike-Protein praktisch genauso wirkungsvoll ausschalten wie solche mit nicht-verändertem Spike-Protein. Es sei deshalb „sehr unwahrscheinlich“, dass der Impfstoff nicht vor Erkrankungen durch die neue Variante schütze, heißt es in der Studie. Im Ernstfall könne jedoch binnen sechs Wochen eine gegen die Mutationen wirksame Impfung entwickelt werden.
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