Mittlerweile haben beide zugelassenen Vektorimpfstoffe einen Rote-Hand-Brief aufgrund seltener thromboembolischer Nebenwirkungen erhalten. Hier geht es vor allem um Sinusvenenthrombosen bei gleichzeitig vorliegender Thrombozytopenie. Wissenschaftler versuchen, eine Erklärung für diese unerwünschten Ereignisse zu finden. Die Ursache könnte in der Impfstofftechnologie liegen.
Die Fälle, in denen Betroffene eine Sinusvenentrhombose entwickelten, traten zumeist 4 bis 14 Tage nach der ersten Impfung auf. Diese Nebenwirkungen waren in den meisten Fällen mit einer Thrombozytopenie verbunden und ähnelten somit der bekannten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT). Bislang konnten Forscher keinen genauen Grund ausmachen.
So bezog sich die Deutsche Gesellschaft für Neurologie Mitte März noch auf die Erkenntnisse, die man bei Infizierten sammeln konnte: „Soweit man das bislang sagen kann, ist es so, dass es im Rahmen der Covid-19-Erkrankung zu einer massiven Hochregulation des Immunsystems kommt – dem sogenannten Zytokinsturm. Und im Rahmen dessen kann eine erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes und damit eine erhöhte Thromboseneigung auftreten. Und so kommt es zu Thrombosen nicht nur in den peripheren Venen und in den Lungen, sondern selten auch in den Hirnvenen. Die venösen Thrombosen im Gehirn entstehen vermutlich vor Ort. Eine lokale Entzündung am Endothel – also der Gefäßwand – kann eine Thrombosebildung begünstigen. Bei der Covid-19-assozierten Sinusvenenthrombose ist es wahrscheinlich so, dass die allgemein erhöhte Thromboseneigung im Rahmen der Infektion ursächlich ist.“
Nun nehmen Wissenschaftler an, dass das Problem in der Vektor-Technologie an sich liegt. Die Art und Weise, wie der Körper zur Bildung von Antikörpern angeregt wird, soll zur Entstehung der Thrombosen führen. Vektorimpfstoffe gelangen, anders als die mRNA-Imfpstoffe, in das Innere des Zellkerns. Dort wird das Antigen durch „DNA-Information“ produziert. Doch neben der Produktion des benötigten Antigens scheint es auch zur Synthese von anderen Proteinen zu kommen. In diesen Varianten könnte die Ursache für die thromboembolischen Ereignisse liegen.
Anders als bei mRNA-Imfpstoffen, bei denen die Impfstoffsuspension nur ins Zytosol und anschließend in die Ribosomen gelangt, wo die mRNA direkt zur Translation genutzt wird, dringt der Vektorimpfstoff zunächst in den Zellkern des Menschen ein. Der Zyklus des Adenovirus umfasst somit die Infektion der menschlichen Zelle, den Übertrag der DNA in den Zellkern und die anschließende Gentranskription in der Wirtszelle. Kurzum: Das Sars-CoV-2-Spike-Protein wird bei Impflingen, die mit einem Vakzin von AstraZeneca und Janssen geimpft wurden, innerhalb des Zellkerns transkribiert. Erst dann erfolgt die „Freigabe“ der mRNA ins Zytosol mit anschließendem „Ablesen“ der Information in den Ribosomen. mRNA-Imfpstoffe kommen ohne diesen zusätzlichen Schritt aus.
Auf diesen entscheidenden Unterschied bei der Wirkungsweise weisen aktuell Forscher der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hin. Das Team um Professor Dr. Rolf Marschalek untersucht, was genau die Ursache der seltenen, schwerwiegenden Ursachen sein könnte. Hier kommt der Begriff des Spleißens (Splicing) ins Spiel. Denn während der Synthese der mRNA, die für den Aufbau des Spike-Proteins benötigt wird, kommt es dazu, dass die im Kern synthetisierten Vorläufer-RNAs noch gespleißt werden.
Laut den Wissenschaftlern liegt genau hier das Problem: Das virale DNA-Stück, das von einem RNA-Virus stammt, ist nicht optimal für den Übersetzungsvorgang innerhalb des menschlichen Zellkerns geeignet. Vereinfacht gesagt führen die unterschiedlichen Längen des viralen Nukleotids und des Spike-Proteins dazu, dass es zu „Ablesefehlern“ kommen kann. Da die Sequenz nicht exakt der entspricht, die für die Synthese des Spike-Proteins nötig ist, muss gekürzt werden. Dieses Kürzen wird als Spleißen bezeichnet. Introns, die für die Translation am Ribosom nicht benötigt werden, werden herausgeschnitten. Introns sind die nicht codierenden Abschnitte der DNA innerhalb eines Gens.
Im Ergebnis konnten die Frankfurter Forscher zeigen, dass es bei der Impfung mit einem Vektorimpfstoff über mehrere Spleißereignisse zur Abgabe von löslichen Spike-Proteinen kommt. Durch eine partielle Spleißung entstehen demnach Proteinvarianten, die ihren sogenannten C-Terminus teilweise verloren haben. Hierdurch ist die feste Verankerung innerhalb der Membran nicht mehr gegeben – es wurden lösliche Spike-Proteine gebildet.
Von dieser Art der Proteine können Gefäßentzündungen ausgelöst werden. Kommt es zur Entzündung des Endothels, so wird das Immunsystem angeregt. Unter anderem werden Zytokine freigesetzt. Die löslichen Spike-Proteine können in die Blutbahn gelangen und dort zu Thrombosen führen. Aus anderen Studien und Beobachtungen weiß man, dass es bei schweren Covid-Verläufen aufgrund der Einspeisung des Virus in das Blutsystem zu thromboembolischen Ereignissen kommen kann.
APOTHEKE ADHOC Debatte