US-Virologe rechnet mit Millionen Infizierten dpa, 29.03.2020 18:41 Uhr
Der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten (NIAID), Professor Dr. Anthony Fauci, rechnet mit Millionen von Corona-Infizierten in den USA. Ausgehend von der aktuellen Lage bestehe die Möglichkeit, dass 100.000 bis 200.000 Menschen in Folge der Pandemie sterben, sagte Fauci am Sonntag dem TV-Sender CNN.
Der angesehene Virologe machte zugleich jedoch deutlich, dass er wenig von Prognosen halte, da man leicht falsch liegen und die Leute in die Irre führen könne. „Schauen Sie sich einfach die Daten an [...] und sorgen Sie sich nicht um diese Worst-Case- und Best-Case-Szenarien“, sagte Fauci. „Wir haben ein ernsthaftes Problem in New York, wir haben ein ernsthaftes Problem in New Orleans und wir werden ernsthafte Probleme in anderen Gebieten entwickeln.“
Die Zahl der nachweislich mit dem Erreger Sars-CoV-2 infizierten Menschen in den USA liegt nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität bei fast 125.000 – in keinem anderen Land der Welt ist die Zahl so hoch. Fast 2200 Menschen sind bereits gestorben. 56 Prozent aller neuen Infektionen werden laut Fauci in New York festgestellt. Im Bundesstaat Illinois wird zudem der Tod eines Babys untersucht, das mit dem Virus infiziert war. Die genaue Todesursache solle geklärt werden, hieß es vom dortigen Gesundheitsamt.
Trotz der sich zuspitzenden Krise hat Präsident Donald Trump vorerst auf eine weitreichende Abriegelung von Hotspots wie New York verzichtet. „Eine Quarantäne wird nicht notwendig sein“, schrieb Trump am Samstag (Ortszeit) auf Twitter. Zuvor hatte er Überlegungen geäußert, besonders betroffene Landesteile weitgehend abzuschotten: Für mehrere Stunden stand am Samstag die Möglichkeit im Raum, dass die Regierung in Washington die Bewegungsfreiheit für Menschen in den Staaten New York, New Jersey und Connecticut drastisch einschränken könnte, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. „Einige Leute würden New York gerne unter Quarantäne gestellt sehen, weil es ein Hotspot ist“, sagte Trump im Garten des Weißen Hauses zu Reportern. Er fügte aber auch hinzu: „Ich würde es lieber nicht tun, aber vielleicht brauchen wir es.“
Mit den noch nicht spruchreifen Aussagen handelte Trump sich prompt Kritik von den Gouverneuren der betroffenen Staaten ein. Der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, machte deutlich, nicht mit Trump über die Möglichkeit einer Quarantäne gesprochen zu haben, und äußerte Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme aus Washington. „Das würde eine Kriegserklärung an die Staaten sein“, sagte Cuomo. Der Gouverneur von Connecticut, Ned Lamont, forderte Klarheit. Auf Twitter warnte er, Verwirrung führe zu Panik. Zugleich erklärte er, dass in seinem Staat bereits Maßnahmen wie weitreichende Ausgangsbeschränkungen gelten, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen.
Stattdessen veröffentlichte die Gesundheitsbehörde CDC einen Reisehinweis. Die mehr als 30 Millionen Einwohner von New York, New Jersey und Connecticut werden dazu angehalten, in den kommenden 14 Tagen auf nicht notwendige inländische Reisen zu verzichten. Dies gelte nicht für Beschäftigte beispielsweise im Gesundheitswesen, bei Finanzdienstleistern oder in der Lebensmittelindustrie. Reisende im ganzen Land wurden dazu aufgerufen, Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, sich anzustecken oder zur weiteren Ausbreitung des Virus beizutragen. Am Montag könnte die Regierung neue Empfehlungen aussprechen, wie sich die Amerikaner in der Krise künftig verhalten sollen.
New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio zeichnete ein dramatisches Bild der Lage in der Millionenmetropole. „Hier in New York fühlt es sich wortwörtlich an wie zu Kriegszeiten“, sagte de Blasio CNN und stimmte die Bürger darauf ein, dass die Krise lange anhalten werde. Die Ärzte und Pfleger könnten im jetzigen Tempo nicht über Wochen weiterarbeiten und bräuchten Unterstützung. Er könne den reibungslosen Betrieb der Krankenhäuser nur für eine Woche garantieren.
Lokale Behörden haben immer wieder gewarnt, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser dort nicht ansatzweise auf die Ansteckung weiter Teile der Bevölkerung vorbereitet seien. Es könnte zu Engpässen bei Beatmungsgeräten kommen. Lokalen Medien zufolge könnten die Kliniken in den kommenden Tagen erstmals punktuell an ihre Kapazitätsgrenze stoßen.
Für Entlastung soll das Lazarettschiff „Comfort“ mit seinen 1000 Betten sorgen, das sich am Samstag vom Bundesstaat Virginia aus auf den Weg nach New York machte. Trump war persönlich beim Auslaufen dabei. „Ihr habt die unerschütterliche Unterstützung der gesamten Nation, der gesamten Regierung und des gesamten amerikanischen Volkes“, sagte Trump an die New Yorker gerichtet.
In New York – eines der kulturellen und wirtschaftlichen Zentren der Welt – hat die Coronavirus-Pandemie das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt. Restaurants, Bars, Schulen, Museen und Broadwayshows sind in der Stadt bereits geschlossen. Alle Bürger sind aufgerufen, Zuhause zu bleiben. Als nicht lebenswichtig eingestufte Einrichtungen und Firmen wurden geschlossen.