Vinyl, Latex & Co.

Unterschiede bei Schutzhandschuhen

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Berlin -

Viele Apothekenteams arbeiten aktuell nicht nur mit Mundschutz, sondern auch mit Schutzhandschuhen. Diese werden nicht nur regelmäßig gewechselt, sondern auch häufig desinfiziert. Doch nicht alle Materialien sind stabil gegenüber Alkohol. Manche Menschen haben überdies eine Latexallergie oder vertragen gewisse andere Stoffe im Handschuh nicht. Das Tragen belastet zudem die Haut: Durch einen Okklusionseffekt weicht die Haut auf und kann eher zu Allergien neigen. Je nach Einsatzgebiet besitzen die Produkte unterschiedliche AQL-Werte, dieser Wert ist insbesondere beim Umgang mit Gefahrstoffen wichtig. Jedes Material bietet vor und Nachteile – auf einige Faktoren sollte die Apotheke bei der Auswahl der Handschuhe jedoch achten.

Zu den am häufigsten verwendeten Materialien bei Einmalhandschuhen gehören Latex, Nitril, Polyvinylchlorid (PVC), Polychloropren (Neopren) und Polyvinylalkohol (PVA).

Verschiedene Materialien – verschiedene Eigenschaften

Latex-Handschuhe erfreuen sich aufgrund ihres Tragekomforts immer noch großer Beliebtheit. Insbesondere in Bereichen, wo viel Fingerspitzengefühl nötig ist, bevorzugen die Anwender dieses Naturprodukt. Latex weist eine gute Beständigkeit gegen viele Säuren und Laugen auf. Durchlässig hingegen sind sie für Öle und viele Lösungsmittel. Nach dem Desinfizieren mit alkoholischen Lösungen wirkt das Material oft seifig, was zu der Annahme führt, dass das Material undicht wird. Während Untersuchungen zeigen, dass Latexhandschuhe unter dem Einfluss von Ethanol tatsächlich nach zehn Minuten durchlässig werden, verdichtet sich das Material bei Kontakt mit Isopropanol sogar.

Eine Handschuhdesinfektion während des Tragens ist prinzipiell möglich, kann aber aufgrund der stark variierenden Desinfektionsmittelzusammensetzungen und Handschuheigenschaften nicht allgemeingültig beurteilt werden. Für eine konkrete Aussage sollte stets mit dem Hersteller gesprochen werden. Zudem sollte das Allergierisiko bei Latex nicht vernachlässigt werden. Als Überhandschuh bei Tragen von zwei Paaren ist das Material gut geeignet – direkt auf der Haut sollte es nicht für längere Zeiträume getragen werden.

Nitril-Handschuhe sind gegen zahlreiche Chemikalien beständiger, so auch gegen Öle. Für viele Lösungsmittel wie Aceton oder Dichlormethan sind sie durchlässig. Für den Einsatz im Labor im Rahmen der Identitätsprüfung sind sie somit nur bedingt geeignet. Beim Ab- und Umfüllen von Gefahrstoffen sollte generell auf dickere Chemikalienhandschuhe ausgewichen werden. Polyethylen-Handschuhe verfügen kaum über Elastizität, sodass die Grundform der Handschuhe sich von anderen unterscheidet. Um den Handschuh anziehen zu können, muss der Einstieg nämlich weiter sein als bei anderen Materialien. Diese Handschuhe sind aus dem Friseurbedarf bekannt, sie liegen häufig Haartönungen bei.

Schutzhandschuhe aus Polyvinylchlorid sind besonders für Arbeiten mit Säuren und Laugen geeignet und sind gegen organische Verbindungen zum Teil beständig. Der Vorteil bei Handschuhen aus Neopren besteht in der Langlebigkeit. Polychloropren hat nämlich sehr gute physikalische Eigenschaften und ist witterungs- und alterungsbeständiger als Handschuhe aus anderen Materialien.

Bei mechanischer Beanspruchung sind Materialeigenschaften wie Reißfestigkeit, Dehnung und Abrieb wichtig. Im Handverkauf werden die Handschuhe nicht zuletzt durch häufiges Tippen und Aufziehen von Schubladen stark beansprucht. Hier haben Handschuhe, die frei vom Vulkanisationsbeschleunigern sind, generell das Nachsehen. Insbesondere Vinylhandschuhe, die ohne diese Substanzen auskommen, reißen schnell – gleichzeitig gelten sie als am verträglichsten.

AQL-Wert

Der AQL-Wert steht nicht im Zusammenhang mit der Schutzwirkung des Handschuhs. Der Wert, der meist zwischen 0,65 und 4,0 rangiert, gibt an, wieviele Handschuhe einer Charge fehlerhaft waren – je kleiner der AQL-Wert, desto weniger Einmalhandschuhe einer Charge waren innerhalb einer Stichprobe fehlerhaft. AQL steht für „acceptance quality level“. Bei einer Chargengröße von beispielsweise 10.000 Handschuhen ergibt sich innerhalb der GMP-Richtlinien eine Stichprobengröße von 200 Stück. Diese werden mindestens visuell kontrolliert. Alle Exemplare, die Risse, Löcher oder andere Mängel aufweisen, fallen durch. Bei sechs fehlerhaften Handschuhen ergibt sich unter Einbeziehung einer speziellen AQL-Tabelle beispielsweise ein Wert von 1,0.

AQL-Werte werden für jedes Produkt in der Industrie festgelegt. Hat ein Hersteller den AQL-Wert von 1,0 mit sechs fehlerhaften Handschuhen bei einer Chargengröße von 10.000 Stück definiert, so wird die gesamte Charge bei sieben oder mehr defekten Exemplaren verworfen. Apotheken können den AQL-Wert im Datenblatt nachlesen. Als Hilfestellung zur Auswahl von geeigneten Handschuhen lässt sich sagen: Umso höher das Anforderungsprofil an ein Produkt, desto niedriger sollte der zugelassene AQL-Wert sein.

Keine gepuderten Handschuhe

Gepuderte Handschuhe verfügen über einen besonderen Tragekomfort. Durch die Pulvermoleküle wird das Anziehen erleichtert – die Hand gleitet besser hinein, auch wenn sie nicht vollständig trocken ist. Durch den Puder weicht die Haut nicht so schnell auf. Dennoch: Gepuderte Handschuhe sind veraltet, das gilt insbesondere für Latexhandschuhe. Latex ist ein Naturprodukt mit erhöhtem Allergiepotential. Die Proteine aus der Milch des tropischen Gummibaumes sind hierfür verantwortlich. Das Risiko steigt mit zunehmendem Gehalt von Latexproteinen im Produkt. Gepuderte Handschuhe enthalten in der Regel deutlich höhere Proteinkonzentrationen, die sich am Puder anlagern. Beim An- und Ausziehen werden diese durch die Luft gewirbelt und verteilt. Die Verwendung von gepuderten Latexeinmalhandschuhen ist nicht mehr gestattet.

Vulkanisationsbeschleuniger können Auschlag auslösen

Um Handschuhe in ihre Form zu bringen, werden sogenannte Vulkanisationsbeschleuniger eingesetzt. Hierbei handelt es sich um chemische Substanzen, die Gummi schneller oder bei niedrigeren Temperaturen fest werden lassen. Am häufigsten werden schwefel- und stickstoffhaltige organische Materialien eingesetzt. Gut geeignet sind vor allem Derivate von Benzothiazol, eine Verbindung aus der Gruppe der Schwefel-Stickstoff-Heterocyclen.

Eingeteilt werden können die Vulkanisationsbeschleuniger in unterschiedliche Geschwindigkeitsgruppen, so gibt es beispielsweise die Ultrabeschleuniger, zu denen Stoffe wie Dithiocarbamate, Thiuramdisulfide und -monosulfide und Xanthogenate gehören. Danach folgen die Halbultrabeschleuniger mit Stoffen wie Mercaptobenzothiazol und Aldehydamin-Kondensationsprodukten. Mäßig starke Beschleuniger sind Dibenzothiazyldisulfid, Diarylguanidine wie Diphenylguanidin, Arylbiguanide wie Tolylbiguanid, Hexamethylentetramin und Aldehydammoniak. Lediglich schwache Beschleuniger sind zum beispiel Triarylguanidine und Diarylthioharnstoffe.

Die Thioramallergie ist die häufigste Allergieform, wenn es um eine Unverträglichkeit gegenüber Vulkanisationsbeschleuniger geht. Sie wird durch Allergene der Dithiocarbamate ausgelöst. Die Symptomatik ähnelt einer Kontaktallergie. Sie äußert sich durch: Hautausschlag in Form von Pusteln, Bläschen, Pickelchen und Quaddelbildung, Hautrötung und Schwellungen. Betroffene leiden fast immer unter starkem Juckreiz und Brennen auf der Haut. In seltenen Fällen wurde über anaphylaktische Symptome berichtet. Therapieren lässt sich der Ausschlag mit Kortisonsalben. Solange die Haut gereizt und offen ist, sollten keine Handschuhe getragen werden. Nach Abklingen der Symptomatik sollte auf Handschuhe, bei denen innerhalb der Herstellung Vulkanisationsbeschleuniger verwendet worden sind, verzichtet werden. Die Hersteller geben an, ob diese Substanzen zum Einsatz gekommen sind, und in Zertifikaten kann nachgelesen werden, zu welchem Grad diese Substanzen aus dem Produkt im Nachgang ausgewaschen worden sind.

Handpflege

Generell gilt: Eine proaktive Handpflege ist zu bevorzugen – es sollte nicht erst gecremt werden, wenn die Haut eingerissen ist. Beim Tragen von Handschuhen sollten die Hände zu Beginn der Schicht mit seifenfreien tensiden gewaschen werden und anschließend mit einer Hautschutzcreme eingerieben werden. Nachdem das Produkt vollständig eingezogen ist, können die Hände desinfiziert werden. Die Handschuhe sollten erst bei vollständig trockener Haut angezogen werden, da es sonst zu einer zusätzlichen Aufquellung der Haut kommen kann. Ein Trugschluss: Die Hände sind nach dem Ausziehen der Handschuhe immer noch keimarm. Unter den Handschuhen bilden sich mit der Zeit wieder vermehrt körpereigene Keime – Coronaviren und andere pathogene Keime verbleiben jedoch an der Außenseite des Handschuhs. Deshalb sollte beim Abstreifen auch darauf geachtet werden, dass der Handschuh von außen nicht berührt wird. Im Zweifelsfall noch einmal desinfizieren.

 

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