Das Tübinger Institut für Tropenmedizin unterbricht seine Studie mit dem Medikament Chloroquin im Kampf gegen Corona-Erkrankungen. Es ist nicht das erste Institut, das die Untersuchungen beendet.
Wie Institutsdirektor Peter Kremsner am Freitag mitteilte, soll bis zu zwei Wochen ausgesetzt werden, weil es Berichte über schwere Nebenwirkungen des Malaria-Mittels gegeben hat. In dieser Zeit solle ein unabhängiges Sicherheitsgremium die ersten Ergebnisse zur Patientensicherheit anschauen. Danach solle eine Entscheidung fallen, ob die Studie fortgesetzt werde. Zuerst hatte der SWR darüber berichtet.
Die Studie begann Ende März. Kremsner geht davon aus, dass die Sorgen um Nebenwirkungen übertrieben sind. Das Medikament sei seit Jahrzehnten bekannt und gut verträglich. Voraussetzung sei allerdings, dass es bei vielen Vorerkrankungen nicht eingesetzt werden dürfe. Ferner nicht mit vielen anderen Medikamenten. Die Tübinger Tropenmediziner wollten früheren Angaben zufolge mit Chloroquin eine moderat an Covid-19 erkrankte Testgruppe behandeln und einer Kontrollgruppe Placebos verabreichen. Im Augenblick gebe es nur sehr wenige Corona-Patienten in Tübingen, mit denen er seine Studie hätte fortsetzen können, sagte der Wissenschaftler dem SWR.
Bereits Mitte März war die erste Studie zu Chloroquin abgebrochen worden: Bei der Studie aus dem brasilianischen Manaus erhielten die Patienten hoch dosiertes Chloroquin. Ursprünglich sollten 440 Patienten in die Studie miteingeschlossen werden – letztendlich waren es 81 hospitalisierte Personen. Das höhere Dosierungsschema von 12 Gramm Chloroquin über einen Zeitraum von zehn Tagen wurde von den Wissenschaftlern als unsicher eingestuft. Die Fortsetzung dieses Studienarms sei nicht weiter zu rechtfertigen. „Wir empfehlen daher dringend, diese Dosierung nirgendwo mehr zur Behandlung von schweren Covid-19 Verläufen zu verwenden“, so das Fazit der Forscher.
Auch die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte Ende April schließlich aufgrund von vermehrten Todesfällen vor dem Einsatz des Wirkstoffes gewarnt: In den vergangenen Wochen rückten zunehmend negative Ergebnisse in den Fokus. Mit einer Drug Safety Communication wird vor Komplikationen gewarnt, die mit der Anwendung von Chloroquin und Hydroxychloroquin einhergehen können. In den meisten Fällen beruhen diese Komplikationen auf einer Verlängerung des QT-Intervalls im EKG. Der FDA zufolge sind die Komplikationen sowohl bei ambulanten wie auch hospitalisierten Patienten aufgetreten. Einige erhielten Chloroquin oder Hydroxychloroquin als Kombinationstherapie mit dem Antibiotikum Azithromycin. Kardiologen warnten bereits frühzeitig vor dem Einsatz der Wirkstoffe. Bei den Patienten wurden Verlängerungen des QT-Intervalls, ventrikuläre Tachykardien und Kammerflimmern beobachtet, welche in einigen Fällen tödlich ausgingen.
Desweiteren gab es zunehmende Meldungen über unerwartete Arzneimittelwirkungen und auch die Giftnotrufzentralen erhielten vermehrt Anrufe, was auf eine Anwendung in der Selbstmedikation hindeutet. Die FDA warnt die Patienten deshalb eindringlich davor, Hydroxychloroquin oder Chloroquin online zu kaufen und ohne Rezept einzunehmen. Ärzte werden erneut auf die Risiken und Komplikationen hingewiesen: Vor allem für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist das Risiko für QT-Verlängerungen erhöht. Auch nach Absetzen der Wirkstoffe verbleiben sie aufgrund der hohen Plasmahalbwertszeit noch einige Wochen im Körper – das Risiko bleibt damit auch nach Ende der Behandlung noch bestehen. Chloroquin besitzt eine Plasmahalbwertszeit von 10 bis 30 Tagen, bei Hydroxychloroquin liegt sie sogar bei rund 45 Tagen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die klinischen Tests mit Hydroxychloroquin und Chloroquin ebenfalls kürzlich beendet, da es unter der Anwendung dieser Wirkstoffe zu zahlreichen Nebenwirkungen ohne signifikante Wirkung gegen Covid-19 kommt. Der Hydroxychloroquin- sowie Chloroquin-Arm der global angelegten Solidarity Studie wird vorübergehend ausgesetzt.
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