Krankheitsverlauf von Covid-19

Transferrin: Eisentransporter als Frühindikator?

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Berlin -

In den vergangenen Monaten versuchten Wissenschaftler Indikatoren zu ermitteln, die auf einen schweren Verlauf von Covid-19 verweisen, damit eine entsprechende Behandlung rechtzeitig eingeleitet werden kann. Ein Team der Goethe-Universität und des Uniklinikums Frankfurt hat in Zusammenarbeit mit der britischen University of Kent nun Hinweise darauf gefunden, dass das Eisen-Transport-Protein Transferrin ein Frühindikator für schwere Krankheitsverläufe sein könnte.

Für ihre Untersuchungen verglichen die Forscher bestehende Daten aus menschlichem Gewebe mit Sars-CoV-2 infizierten, kultivierten Zellen. Sie konzentrierten sich bei der Suche nach Indikatoren vor allem auf Moleküle, die an der Blutgerinnung beteiligt sind. Im Fokus standen solche, die sich im Alter verändern und die je nach Geschlecht anders reguliert werden. Denn vor allem ältere Menschen sind von schweren Verläufen betroffen, auch Männer erkranken häufig schwerer als Frauen.

Transferrin als Frühindikator

Mehrere Proteine kamen in Frage, schließlich identifizierten die Forscher jedoch das Eisen-Transport-Protein Transferrin. Es ist an der Blutgerinnung beteiligt und sorgt für den Eisentransport im Blutkreislauf. Im Alter steigt die Transferrin-Konzentration an, Männer weisen typischerweise höhere Mengen auf als Frauen. Außerdem zeigen Zellen, die mit dem neuartigen Coronavirus infiziert wurden, ebenfalls eine Hochregulierung des Transferrins. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass Transferrin als Frühindikator für schwere Covid-19-Verläufe dienen könnte.

Transferrin ist ein wichtiger Bestandteil des körpereigenen Eisenstoffwechels. Wird Eisen über die Nahrung aufgenommen, gelangt es über den Darm schließlich ins Blut. Zuständig dafür sind die sogenannten Enterozyten. Im Blutkreislauf angelangt, wird das Eisen an das Transportprotein Transferrin gebunden. So kann es schließlich durch den Körper befördert werden und zu den Zellen gelangen, die Eisen benötigen. Die Zellen besitzen spezifische Andockstellen für das Transportprotein auf der Zelloberfläche. An diese Transferrinrezeptoren bindet Transferrin schließlich und gibt das Eisen an die Zelle ab.

Weitere Marker als Frühwarnsystem möglich

Auch andere Marker wurden bereits als Indikator diskutiert: Forscher der Universität Göttingen wollen beispielsweise mithilfe eines Urintests die Schwere der Erkrankung vorhersagen können. In den Fokus gerieten vor allem solche Marker, die auf Schädigungen der Niere oder der Blutgefäße hindeuten. Um Aufschluss über die möglichen Schäden zu erhalten, betrachteten die Mediziner unter anderem das Verhalten weißer Blutkörperchen und den Gehalt des Proteins Albumin im Urin: Den Forschern zufolge zeigen sich hier bereits Veränderungen, bevor es überhaupt zu ersten Symptomen kommt. „Ist auch nur einer von drei Parametern schwer verändert, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Erkrankten auf Normalstation zeitnah verschlechtern, auf die Intensivstation verlegt werden müssen oder sich der Verlauf auf Intensivstation noch verschlechtert", erläuterte Studienautor Oliver Gross im Fachjournal „The Lancet“.

Wissenschaftler aus Wuhan identifizierten zudem einige Blutparameter als Indikatoren: Zwei Arten von Abwehrzellen würden Prognosen erlauben, ob ein Patient leicht oder schwer erkranken wird. Bei dem ersten Zelltyp handelt es sich um T-Killerzellen mit einem bestimmten Oberflächenmarker (CD8). Dieser ganz spezielle Zelltyp tötet virusinfizierte Körperzellen ab und unterbricht die Virusreplikation. Im Falle von Covid-19 heißt das, dass Sars-CoV-2 sich nicht mehr vermehren kann. Der andere Zelltyp ist die Gruppe der sogenannten neutrophilen Granulozyten. Diese wehren eigentlich Bakterien ab. Sie können aber auch T-Zellen in ihrer Funktion unterdrücken. In Blutproben mit vielen neutrophilen Granulozyten wurden folglich nur wenige T-Killerzellen gefunden, dieses Verhältnis war mit einem schwereren Krankheitsverlauf verbunden.

T-Zellen sind eine Zellgruppe der Lymphozyten. Das „T“ steht für Thymus, hier findet die Ausdifferenzierung der Zellen statt. T-Zellen entstehen im Knochenmark. Von dort migrieren sie über die Blutbahn in den Thymus, wo sie MHC-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche ausbilden. MHC steht für Haupthistokompatibilitätskomplex. Es handelt sich um Proteine, die für die Immunerkennung von Bedeutung sind.

Schwere Verläufe unter Vitamin-D-Mangel?

Als weiterer Indikator für den Verlauf von Covid-19 wird außerdem der Vitamin-D-Spiegel diskutiert. Die Universität Hohenheim in Stuttgart wies auf den gemeinsamen Risikofaktor hin: Denn die Grunderkrankungen gehen oft mit einem zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel einher. Die Versorgung mit dem Vitamin könnte daher ein möglicher Indikator für den Schweregrad und das Sterblichkeitsrisiko von Covid-Patienten sein.

Professor Dr. Hans-Konrad-Biesalski von der Universität Hohenheim in Stuttgart ist Ernährungsmediziner. Er hat 30 Studien zu dem Thema ausgewertet und ein Vitamin-D-Defizit als möglichen Indikator für den Schweregrad und die Mortalität bei einer Covid-19-Erkrankung identifiziert. Daher empfiehlt Biesalski, bei einer Covid-19-Erkrankung immer auch den Vitamin-D-Spiegel zu überprüfen und regelmäßig zu kontrollieren. Seine Untersuchungsergebnisse wurden kürzlich im „NFS Journal“ vorgestellt.

Das Vitamin ist an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt, unter anderem an der Regulierung von Immunsystem und Entzündungsprozessen. Daher könnte auch der Verlauf der Erkrankung durch den Vitamin-D-Spiegel beeinflusst werden. Desweiteren reguliert es das sogenannte Renin-Angiotensin-System (RAS): Dieses ist vor allem für die Steuerung des Blutdrucks wichtig. Kommt es zu einer Infektion, sorgt Vitamin D dafür, dass die Systeme nicht aus dem Ruder laufen. „Da das Coronavirus eine wichtige Schaltstelle dieser Regelkreise befällt, halten sich pro-entzündliche und anti-entzündliche Prozesse nicht mehr die Waage“, erklärt Biesalski. „Das System gerät durcheinander. Und zwar besonders dann, wenn gleichzeitig ein Vitamin-D-Mangel besteht.“ Die Balance zwischen pro- und anti-entzündlichen Prozessen verschiebe sich zugunsten der pro-entzündlichen, die dann richtig Fahrt aufnehmen würden. „Die Folge sind gravierende Veränderungen in den Lungenbläschen, die zu einer schweren Komplikation der Covid-19-Erkrankung führen, dem sogenannten Akuten Atemnotsyndrom.“ Eine Überwachung des Vitamin-D-Spiegels sei bei Verdacht auf eine Infektion mit Sars-CoV-2 daher sehr wichtig. Ein eventuelles Defizit solle dem Experten zufolge zügig behoben werden.

 

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