Tracemedics von Certista

Testzentren: Apotheken setzen auf eigene Software-Lösung

, Uhr
Berlin -

Immer mehr Apotheken setzen auf eigene Corona-Testcenter und finden eigene Wege, die dazugehörigen Prozesse zu organisieren. In Baden-Württemberg setzt eine wachsende Zahl von ihnen dabei nicht auf die Software von Doctorbox, sondern hat eine eigene digitale Infrastruktur auf die Beine gestellt, um Termine und Durchführung der Tests zu organisieren. Die wird nun auch anderen Apotheken bundesweit zur Nutzung angeboten.

In Baden-Württemberg entstehen immer mehr Corona-Testzentren, die von Apotheken betrieben werden. Während im Landkreis Böblingen ein ganzes Netzwerk unter der Ägide von Dr. Björn Schittenhelm aufgezogen wird, ist ausgehend von Apothekerin Sybille Koch-Göpfrich, Inhaberin der Hexental-Apotheke in Merzhausen, mittlerweile ein kleines Netz an Apotheken entstanden, das Testzentren in der Region um Freiburg im Breisgau aufgebaut. Anders als Schittenhelm setzen Koch-Göpfrich und ihre Mitstreiterinnen aber nicht auf die vorgefertigte Software von Doctorbox, sondern haben sich ein eigenes Programm maßschneidern lassen.

Eine von Koch-Göpfrichs Mitstreiterinnen ist Dr. Juliane Iltgen-Breburda, Inhaberin der Kur-Apotheke Kirchzarten. Sie hat Anfang Januar im nahegelegenen Dreisamtal ein Testzentrum eröffnet, in dem sie Corona-Schnelltests als Selbstzahlerleistung anbietet. Das auf die Beine zu stellen, war alles andere als trivial. Der Kontakt zu Koch-Göpfrich – eine langjährige bekannte Iltgen-Breburdas – gab den Ausschlag, vor Weihnachten mit der Organisation des Aufbaus zu beginnen, aber schon passende Räumlichkeiten zu finden, war nach ihrer Darstellung nicht einfach. Letztlich wurde es die Räumlichkeiten eines Sportvereins – in den Schiedsrichter-Räumen werden nun Abstriche gemacht und in den Umkleidekabinen befindet sich das Labor. Weit über 200 Tests hat sie bereits durchgeführt und bislang eine Infektionskette damit durchbrochen: Ein asymptomatisch Infizierter, der kurz zuvor aus der vom Gesundheitsamt verhängten Quarantäne entlassen worden war, aber aus Eigenverantwortung noch einen Test auf eigene Kosten machen ließ.

„Im Moment bieten wir die Tests noch als private Dienstleistung, die der Kunde selbst bezahlt. Ich bin bereits seit Dezember in Kontakt mit dem Gesundheitsamt, dessen behördliche Beauftragung ist in Freiburg aber sehr schwer zu bekommen“, sagt Iltgen-Breburda. „Ich habe es auch schon über Landkreis versucht. Erst vergangene Woche habe ich überhaupt die Rückmeldung bekommen, dass das Gesundheitsamt meine Anfrage angenommen hat. Bei den ersten Anfragen hatte ich noch nicht einmal Antworten auf meine E-Mails bekommen.“ Das sei besonders ärgerlich, weil die Testzentren schließlich auch die Kapazitäten hätten, Reihentestungen von öffentlichen Einrichtungen vorzunehmen. „Hier kommen Schulleiter mit Testberechtigungsscheinen für ihre Schulen, aber ich muss sie dann noch wegschicken, weil wir keine Beauftragung des Gesundheitsamtes haben“, sagt sie. „Es wäre ein kurzer Aufwand von fünf bis zehn Minuten, das in ein Formular zu packen und zu unterschreiben. Die gesetzliche Grundlage ist doch bereits da!“

Dass private Anbieter oft mehr Flexibilität an den Tag legen als öffentliche Stellen, haben sie und Koch-Göpfrich bereits belegt: Nachdem sie gemerkt haben, dass die Doctorbox-App ihren lokalen Bedürfnissen nicht voll entspricht, sorgten sie sich um eine eigene Lösung. „Frau Koch-Göpfrich war mit Doctorbox gestartet. Da gab aber im Workflow einige Abläufe, die uns nicht so rund erschienen, beispielsweise dass erst eine App heruntergeladen werden musste“, sagt sie. „Viele Patienten wollten das nicht, außerdem haben wir auch einige Patienten in der Altersklasse, die das nicht richtig konnten.“

Glücklicherweise hatte Koch-Göpfrich die richtigen Kontakte: Noch aus Studienzeiten in Hamburg kennt sie Unternehmer Tobias Fries, der mittlerweile in Zürich das Unternehmen Certista gegründet hatte. Mit dem hat er sich eigentlich auf digitale Lieferkettenkontrolle spezialisiert. „Wir tracken Berührungspunkte von Assets wie hochpreisigen Arzneimitteln oder medizinischen Implantaten“, erklärt Fries. „Im Dezember kam Frau Koch-Göpfrich dann auf mich zu und fragte, ob ich jemanden kenne, der ihr die Software für das Testzentrum bauen kann, weil sie Rückmeldung von Menschen erhielt, die mit der Doctorbox-App nicht ganz klarkamen.“

Also setzte Fries sich selbst daran und baute unter dem Namen Tracemedics – einer Marke von Certista – ein System, das genau auf die Bedürfnisse Koch-Göpfrichs zugeschnitten ist: „Wir haben innerhalb von drei Wochen in Tag- und Nachtarbeit mit drei Mitarbeitern etwas programmiert, bei dem wir auf das Herunterladen einer App verzichten können. Das war eine ganz tolle Dynamik, es hat sich ein bisschen angefühlt wie ein Start-up“, sagt Fries. Ergebnis ist websitebasiertes Terminbuchungssystem samt Testzentrumshomepage für die Apotheke. Die Kunden können auf der Seite einen freien Termin buchen, müssen dazu , Name, Geburtsdatum, Telefonnummer und E-Mail-Adresse angeben und erhalten dann eine E-Mail mit den notwendigen Informationen, von Zeitpunkt und Adresse bis zu den Dingen, die sie mitbringen müssen. Neben Links für Kalendereinträge und Stornierung enthält die Mail aber vor allem den QR-Code, mit dem dann das Testergebnis samt Zertifikat abgerufen werden kann, sowie einen weiteren Link, der ebenfalls dorthin führt.

„Das System ist voll verschlüsselt und die Kunden müssen sich zum Abruf des Testergebnisses mehrmals authentifizieren“, erklärt Fries. So werde eben auch kein Testergebnis geschickt, sondern lediglich der Zugangslink zum gesicherten Abruf des Zertifikats samt Foto des Teststreifens. Iltgen-Breburda sieht den Nutzen vor allem aus Apothekensicht: Über das Backend sei die Terminverwaltung und Abrechnung mit sehr geringem Arbeits- und Personalaufwand zu stemmen. „Tracemedics hat den Prozess an unsere Wünsche angepasst, sodass wir den Workflow sehr rund und leicht zu handhaben empfinden. Auch das Booking läuft subjektiv empfunden sehr viel runder“, sagt sie. „Ich will Doctorbox überhaupt nicht negativ beurteilen – ich glaube, dass jedes System seine Stärken hat. Aber wir haben einfach die beste Anwendung für unsere eigenen Bedürfnisse geschaffen.“

Ausgehend von Iltgen-Berbrudas und Koch-Göpfrichs Apotheke hat sich das System bereits rein über Mundpropaganda verbreitet. „Unsere ersten Kunden sind allesamt entlang der Schwarzwald-Achse: in Freiburg, Dreisamtal, Titisee-Neustadt und Konstanz“, sagt Fries. „Mittlerweile kommen sogar Apotheken aus Berlin und Hamburg auf uns zu. Das hat sich wohl rumgesprochen. Darüber sind wir sehr glücklich – vor allem, weil wir bisher keinerlei Sichtbarkeit hatten und nur über Empfehlungen an Kunden kamen.“

Das will Fries nun ändern. Er bietet seine Testzentrums-Software nun deutschlandweit über eine eigene Webseite an und will sie in zwei Paketen verkaufen: für 185 plus 24 Euro monatlich erhalten auch Apotheken mit wenig Testaufkommen das System als Landingpage mit eigenen Farben und Logo, für 975 Euro erhalten sie eine komplett eigene Website für das Testzentrum inklusive Domain und eigenem Design. Zusätzlich berechnet Transmedics jedoch eine Provision pro Test: 35 Cent plus 2,49 Prozent des Endkundenpreises. „Wir nehmen exakt die gleiche Gebühr wie PayPal“, betont Fries dabei.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Verzögerungen wegen „KOB light“?
ePA: Die Angst vor Abmahnungen
Verzögerung bei Rollout
BMG: ePA für alle kommt später
Mehr aus Ressort
„Auffällig höhere Fallzahlen“
Corona: Sommerwelle ist da
„Pandemie der Ungeimpften“
RKI-Protokolle bringen Spahn unter Druck

APOTHEKE ADHOC Debatte