Wenn es um Corona geht, setzen einige Forscher auf künstliche Intelligenz (KI): Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat mithilfe eines Supercomputers nach geeigneten Wirkstoffen gegen Covid-19 gesucht. Der KI zufolge könnten möglicherweise auch Hepatitis C-Medikamente und Natursubstanzen zum Einsatz kommen.
Der Supercomputer „Mogon II“ zählt zu den leistungsfähigsten Computern weltweit. Er wird von der JGU und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) betrieben und hat nun auch an der Suche nach geeigneten Wirkstoffen gegen Covid-19 mitgewirkt. Die angewandte Methodik ist für die JGU nicht neu: In der Vergangenheit hatte „Mogon II“ unter anderem schon Simulationen mit möglichen Wirkstoffen gegen Krebs durchgeführt.
Die Wissenschaftler haben nun mithilfe des Systems simuliert, wie rund 42.000 in öffentlichen Datenbanken aufgeführte Substanzen an bestimmte Proteine von Sars-CoV-2 binden und dadurch das Eindringen des Virus in den menschlichen Körper oder dessen Vermehrung hemmen. „Dieses als molekulares Docking bezeichnete und seit Jahren anerkannte Verfahren von Computersimulationen ist wesentlich schneller und kostengünstiger als Laborexperimente", erklärt der Leiter der Studie, Professor Dr. Thomas Efferth vom Institut für Pharmazeutische und Biomedizinische Wissenschaften der JGU. Schon bei der Suche nach Wirkstoffen gegen die Coronaviren Mers-CoV und Sars-CoV sei molekulares Docking erfolgreich eingesetzt worden.
Mithilfe der Simulationen fanden die Forscher heraus, dass verschiedene Wirkstoffe, die eigentlich gegen Hepatitis C eingesetzt werden, auch bei Covid-19 helfen könnten. Mehr als 30 Milliarden Berechnungen wurden innerhalb von zwei Monaten durchgeführt. Das Ergebnis: Die Wirkstoffe Simeprevir, Paritaprevir, Grazoprevir und Velpatasvir binden mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr stark an Sars-CoV-2. Der Fokus lag auf den sogenannten „Spike-Proteinen“: Durch das Blockieren dieser Bindungsstellen kann das Coronavirus nicht mehr in die Körperzellen eindringen – Ansteckungen könnten dadurch möglicherweise verhindert werden.
„Unseres Wissens sind wir die Ersten, die molekulares Docking im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 angewendet haben. Und dass wir dadurch auf mehrere zugelassene Hepatitis-C-Medikamente als besonders erfolgversprechende Kandidaten gestoßen sind, ist sensationell.“ Für diese Hinweise spreche auch, dass es sich bei Sars-CoV-2 – genau wie beim Hepatitis-C-Virus – um ein sogenanntes einzelsträngiges RNA-Virus handele, erläutert Efferth.
Außerdem fanden die Forscher heraus, dass ein in Asien bereits bekannter Naturstoff aus dem Japanischen Geißblatt helfen könnte. Die Substanz wird in der Chinesischen Medizin schon lange gegen andere Erkrankungen wie Rheuma, Akne oder Erkältungsbeschwerden eingesetzt. Der Kletterpflanze werden entzündungshemmende, schleimlösende und harntreibende Eigenschaften zugeschrieben. Bei der Anwendung kann es jedoch zu starken Wirkungsschwankungen und damit verbundenen Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen, Durchfall, Schwindel und Kreislaufstörungen kommen. Die Ergebnisse des Superrechners müssen nun durch Laborexperimente und klinische Studien überprüft werden.
Künstliche Intelligenz kommt in einer New Yorker Klinik bereits bei der Diagnosestellung zum Einsatz. Forscher speisten die Daten von 534 Befunden in einen Rechner ein, der mit zwei Software-Varianten eine Diagnose stellen sollte: Eine Software analysierte die CT-Aufnahmen, die andere fokussierte sich auf die klinischen Daten der Patienten. Nach Vorliegen des PCR-Test-Ergebnisses wurde dieses dem System ebenfalls zur Verfügung gestellt. Im Vergleich mit der Treffsicherheit zweier Radiologen konnte die KI gute – und vor allem schnelle Ergebnisse – liefern: Bei Fällen, in denen die Radiologen im CT noch keine Auffälligkeiten entdecken konnten, war die KI deutlich überlegen: Von den 25 Patienten, die von den Medizinern zunächst als unauffällig eingestuft wurden – welche nachher jedoch ein positives PCR-Ergebnis zeigten – hatte die KI 17 als Covid-positiv eingestuft. Die Klinik hat daher beschlossen, künftig bei unklaren Fällen eine „zweite Meinung“ durch die Software einzuholen.
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