Großhandel verweigert Auslieferung

Streit mit AHD: Apotheker bekommt Corona-Impfstoff per Taxi

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Berlin -

Bei der ersten Auslieferung der Corona-Impfstoffe an die Apotheken hakte es hier und da. Was Inhaber Dr. Vlad Agotici am Dienstag erlebte, geht aber weit über fehlendes Zubehör hinaus: Alliance Healthcare (AHD) hatte sich trotz vorheriger Bestätigung geweigert, ihn zu beliefern – wegen einer Mail an den Außendienst der Logistiktochter CPL. Erst als er die Staatsanwaltschaft informierte und es den Alliance-Vorstand wissen ließ, lenkte der Großhändler ein. Die letzte Tour war bereits gelaufen, also schickte ihm Alliance abends um halb acht ein Taxi vorbei.

Irgendwie hängt halt doch alles zusammen, auch wenn man es oft nicht weiß. Am vergangenen Samstag schrieb Agotici eine E-Mail an CPL Pharma, weil er der Meinung war, deren Außendienst würde zu oft versuchen, ihm Vigantol und andere OTC-Produkte zu verkaufen. Drei Tage später sitzt er in seiner Anker-Apotheke in Passau und wartet auf die erste Lieferung Corona-Impfstoff – vergeblich, und zwar wegen ebenjener E-Mail. Es brauchte mehrere Telefonate und E-Mails an den gesamten AHD-Vorstand sowie nicht zuletzt an die Staatsanwaltschaft Passau und die Regierung Oberfranken, um das Problem zu lösen. Und zwar mit einer Sondertour per Taxi.

„Ich wusste bis Dienstag nicht mal, dass CPL Pharma ein Tochterunternehmen von AHD ist. Ich habe ja nicht ins Impressum geschaut“, sagt Agotici. Und tatsächlich erfuhr er auch erst bei der zweiten Nachfrage von dem Zusammenhang. Für 15.30 Uhr war ihm die Lieferung von 16 Vials für insgesamt drei Arztpraxen zugesagt worden. Als nichts kam, rief er bei AHD an und fragte, wo denn der Bote bleibt. „Da sagte mir die Telefonistin, dass ich die Lieferung nicht erhalten würde, weil ich offene Rechnungen nicht bezahlt hätte.“ Ganz abgesehen davon, dass der Corona-Impfstoff im Besitz des Bundes bleibt, die Apotheke also ohnehin nichts kauft oder ankauft – auch die Behauptung, er habe Rechnungen nicht beglichen, weist Agotici entschieden zurück. „Das stimmt überhaupt nicht, ich habe jede einzelne Rechnung immer bis auf den letzten Cent bezahlt!“

Den Vorwurf wollte er nicht auf sich sitzen lassen, also kämpfte er sich nach eigener Darstellung zur AHD-Buchhaltung durch und hörte dort eine haarsträubende Begründung für die verweigerte Lieferung: Am Samstag hatte er an zahlreiche OTC- und Kosmetikhersteller sowie Logistiker geschrieben, darunter neben CPL Pharma auch Mylan, Klosterfrau, Weleda und L’Oréal. „Hiermit bitte ich Sie höflich, auf Angebote, Anrufe oder Außendienstbesuche bis auf Weiteres zu verzichten“, heißt es im Mailverkehr, der APOTHEKE ADHOC vorliegt. „Wir werden uns aktiv bei Ihnen melden, falls wir etwas brauchen, aber zurzeit brauchen wir einfach gar nichts!“

Er bitte die angeschriebenen Unternehmen um Verständnis dafür, dass er zurzeit keine weiteren OTC-, Kosmetik- oder Freiwahlprodukte kaufen wolle, weil er sie nicht mehr in dem Ausmaß weiterverkaufen könne, in dem er sie bisher von den Unternehmen bezogen habe. Es falle seinen Kolleginnen und seiner Frau – mit der zusammen er die Anker- und die Innstadt-Apotheken in Passau betreibt – sehr schwer, Nein zu sagen. „Obwohl wir die Geschäftsbeziehungen zu Ihnen sehr schätzen, können wir leider keine Ware mehr kaufen. Es ist einfach nicht mehr möglich diese zu verkaufen“, so Agotici in der Mail.

Auf Anfrage erklärt er den Hintergrund: Erst kürzlich seien ihm erneut 20 Packungen Vigantol aufgeschwatzt worden, beklagt er sich. „Ich verkaufe im Monat zwei bis drei Packungen, da muss ich mich doch nicht für acht Monate bevorraten. Dieses Spiel spiele ich nicht mit“, sagt er. Ähnlich habe es bei Kytta-Sedativum ausgesehen. Er verkaufe davon im Schnitt zwei Packungen pro Apotheke und Jahr, sagt er. Nun habe ihm der Außendienst erst wieder zehn Packungen angedreht. In den kommenden Tagen werde er die angeschriebenen Unternehmen deshalb noch einmal einzeln kontaktieren, „um eine Lösung zu finden die bereits gelieferte Ware zu retournieren“, so seine Mail.

„Von der Buchhaltung wurde mir dann gesagt, die E-Mail würde bedeuten, dass ich keine Rechnungen mehr bezahlen kann und deshalb nicht beliefert werde“, erinnert sich Agotici an das Gespräch. Ganz davon abgesehen, dass der Inhalt der Mail „bösartig interpretiert“ worden sei, wie er es ausdrückt, erschüttere ihn, dass sein Mailverkehr überhaupt bei AHD gelandet ist. „Das geht eigentlich einen Großhändler nichts an, ob ich von Kosmetik- oder OTC-Firmen verlange, keine Angebote zu senden, auch wenn diese Tochterunternehmen von Alliance Healthcare sind“, sagt er. Allerdings würde es sich AHD anscheinend erlauben, „die Apotheken nochmals unter Druck zu setzen, eigene Spielchen zu spielen und lebenswichtige Impfstoffe nicht zu beliefern“, wenn man von einem Tochterunternehmen verlangt, keine Angebote und keine Außendienstler zu senden und auch keine Ware im Direktgeschäft zu kaufen, so sein Vorwurf.

Zumindest am Telefon kam er damit nicht weiter, AHD habe sich renitent geweigert, ich zu beliefern, erzählt er. Nach einem hitzigen Streit habe er aufgelegt und nachgedacht, was er nun tun könne. Also setze er sich an den Computer und verfasste eine drastische E-Mail: „Ich möchte Ihnen einen gravierenden Fall von Gefährdung der Bevölkerung durch einen Großhandel zur Kenntnis bringen“, beginnt sie und ist an die Staatsanwaltschaft Passau und die Regierung Oberpfalz adressiert. Gemeint ist die unangekündigte Absage und darauffolgende Verweigerung der Impfstofflieferung. Aber auch die nach seiner Ansicht rechtswidrige Weiterleitung seiner Mail an AHD erwähnt er explizit – das wolle er ebenfalls von der Staatsanwaltschaft prüfen lassen. Ob und wie die beiden Adressaten darauf reagieren, muss sich noch zeigen. Agotici jedenfalls zeigt sich kämpferisch: „Ich glaube, das ist rechtswidrig. Damit gefährdet man die Bevölkerung, weil ich kein Vigantol kaufen will.“

Wichtiger als Staatsanwaltschaft und Regierung waren aber die anderen Adressaten, an die er die Mail weiterleitete: die Mitglieder des AHD-Vorstands. Nach seiner Darstellung haben die die Botschaft auch umgehend verstanden: Nur wenig später habe er einen Anruf von seinem Außendienstler erhalten. „Er wollte erst ein bisschen freundlich plaudern, fragte, wie es mir geht und so weiter. Aber ich bin gleich zum Punkt gekommen und wollte wissen, was denn nun mit dem Impfstoff ist“, rekapituliert er das Telefonat. „Er sagte, sie hätten heute keine Tour mehr, aber sie würden mir heute Abend noch ein Taxi vorbeischicken.“ Und tatsächlich: Abends halb acht stand ein Taxi aus Regensburg vor der Apotheke und brachte die 16 Vials, die Agotici bestellt hatte. „Als ob wir nichts Besseres zu tun hätten als in der Apotheke zu sitzen bis zu diesem Zeitpunkt“, so Agotici. „Wer bezahlt die Überstunden? Alliance Healthcare? Egal.“

Und was sagt AHD dazu? Der Großhändler will sich zum konkreten Ablauf der Ereignisse nicht äußern, bestätigt den Fall aber in groben Umrissen: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu Einzelheiten unserer Kundenbeziehungen grundsätzlich nicht äußern“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. „Wir haben die entsprechenden Maßnahmen ergriffen und entschuldigen uns für die entstandenen Umstände. Nach Bekanntwerden des Vorgangs wurde der Impfstoff umgehend mit einer Sondertour ausgeliefert.“

Aber eben nur der Impfstoff – auf das Zubehör wartet Agotici nach eigenen Angaben immer noch. Und ohne das bringen bekanntermaßen auch die Vials nicht viel. Mindestens ein Impftag sei dadurch schon zunichtegemacht worden, klagt er: „Es wurden Termine gemacht, Patienten sitzen im Wartezimmer. Ob alle Termine dann auch rechtzeitig umgeplant werden können, werden wir in den nächsten Tagen erfahren.“

Er wolle sich nun nach anderen Großhändlern umschauen, AHD sei nämlich sein einziger, sagt Agotici – aber das dauere auch seine Zeit. Im Moment bleibe ihm nur der Frust und das Warten auf das Zubehör. Für ihn sei klar, dass der Impftag verloren gegangen sei, weil AHD gegenüber seiner Apotheke die eigene Machtposition ausnutzen wollte. „Ich habe diese kaufmännischen Tricksereien satt“, sagt er.

 

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