Entzündung im ganzen Körper

Störung des Blutflusses entschlüsselt

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Berlin -

In Blutgefäßen von Herz, Niere und Darm konnte mittlerweile bei zahlreichen Covid-19-Patienten eine Endotheliitis diagnostiziert werden. Besonders häufig finden Mediziner diese Gefäßentzündungen bei Patienten mit Vorerkrankungen. Forscher haben herausgefunden, dass der Angriff auf das Endtohel ein wahrscheinlicher Auslöser für das Multiorgan-Versagen ist. Ein Lungenversagen bei Corona sei maßgeblich auf Gefäßschaden zurückzuführen.

Das Covid-19 wohl keine reine Lungenerkrankung ist, diskutieren Mediziner bereits seit längerem. Sars-CoV-2 befällt neben der Lunge vor allem die Blutgefäße befällt – hierdurch entstehen die gefährlichen Entzündungsreaktionen im Körper. Diese Erkenntnis könnte die Behandlung der neuen Viruserkrankung verändern. Forscher aus Wuppertal, Harvard, Basel, Leuven und Hannover fassen das Verhalten von Sars-CoV-2 in einer Studie folgendermaßen zusammen: „Sars-CoV-2 befällt im Gegensatz zu den Grippeviren vornehmlich Blutgefäßstrukturen, die sogenannten Endothelzellen und führt zu einer gesteigerten Entzündungsreaktion, vergleichbar mit einer Abstoßungsreaktion nach einer Organtransplantation.“ Studienautor Maximilian Ackermann vom Institut für Pathologie und Molekularpathologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal erklärt, dass die Forscher erstmals die ausgeprägten und großflächigen Schädigungen der Blutgefäße zeigen konnten. Diese Gefäßschädigungen mindern die Blutzufuhr zu den Endorganen wie der Lunge, aber auch zum Herzen oder zum Gehirn.

Lungenversagen aufgrund von Gefäßschäden

Als Ursache für die beobachteten Komplikationen nehmen die Wissenschaftler die Mikroembolien an. Verschließen sich kleinste Blutgefäße, so kommt es zu einer Minderversorgung des betroffenen Areals mit Sauerstoff & Co. – insbesondere in der Lunge finden sich viele kleine Blutgefäße, 80 Prozent des Lungengewebes bestehen aus Venolen, Arteriolen und Kapillaren. „Kleinste Schädigungen und Einschränkungen des Blutflusses können daher in kürzester Zeit zu lebensbedrohlichen Konsequenzen führen,“ schlussfolgern die Studienautoren.

Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke konnten innerhalb einer Studie darstellen, dass es durch die Störung des Blutflusses zu einer speziellen Form der Blutgefäßneubildung kommt. Die sogenannte intussuszeptive Angiogenese verstärkt die Entzündungsreaktion im Körper zusätzlich. Die Anregung der intussuszeptiven Angiogenese erfolgt durch T-Zellen. Medizinisch sei dieser Ablauf vergleichbar mit einer starken Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation. Diese spezielle Gefäßneubildung, kann auch bei Lungenfibrosen und Tumorwachstum festgestellt werden.

Einmal angefangen, kommt es zur weiteren Aktivierung der Entzündungskaskade. „Dieser erstmalig beschriebene Mechanismus aus Blutgefäßneubildung und Entzündung durch das Sars-CoV-2-Virus bestimmt das komplexe Krankheitsbild bei Covid-19 und demonstriert, dass die generalisierten Komplikationen bei dieser Erkrankung maßgeblich auf den Gefäßschaden zurückzuführen sind“, so Professor Dr. Hans Michael Kvasnicka, Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal und Lehrstuhlinhaber für Pathologie der Universität Witten/Herdecke. „Das daraus gewonnene Krankheitsverständnis kann nun helfen, wirksame Therapien zu entwickeln.“ Dieser Mechanismus wird im Rahmen laufender internationaler Studien auch an anderen Organen von Covid-19 Patienten untersucht.

Auch eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ist du der Erkenntnis gelangt, dass Sars-CoV-2 nicht nur die Lunge erkranken lässt: .„Das neuartige Coronavirus ist kein reines Atemwegsvirus“, konstatierten die Wissenschaftler dort. Zuvor hatten sie die Körper von 27 an Covid-19 verstorbenen Patienten untersucht – und Corona-Erreger in deren Lungen, Rachen, Herzen und Lebern sowie im Gehirn und in den Nieren der Toten nachgewiesen.

In Blutgefäßen von Herz, Niere und Darm konnte mittlerweile bei zahlreichen Covid-19-Patienten eine Endotheliitis diagnostiziert werden. Besonders häufig finden Mediziner diese Gefäßentzündungen bei Patienten mit Vorerkrankungen. Eine kleine Autopsie-Studie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat die Todesursache von zwölf Covid-19-Patienten untersucht. Bei sechs Personen konnten tiefe Venenthrombosen festgestellt werden. Bei vier Patienten wurde als direkte Todesursache eine Lungenembolie dokumentiert. Innerhalb der Studie wurden vollständige Autopsien einschließlich postmortaler Computertomographie vorgenommen. Es wurden auch histopathologische und virologische Analysen durchgeführt. Die Mediziner werteten auch die klinischen Daten und medizinischen Verläufe der Patienten aus.

Neuer Therapie-Ansatz denkbar

Diese Forschungsergebnisse könnten die Ansätze für eine Covid-Behandlung ändern: „Wir sehen Covid-19 jetzt weniger als alleinige Lungenkrankheit, insofern könnte die beobachtete Einschränkung des Blutflusses sowie der Blutgefäßneubildung zukünftig ein neues Ziel therapeutischer Maßnahmen darstellen“, ergänzt Kvasnicka. Geht es nach den Wissenschaftlern, so sollte aufgrund der aktuellen Erkenntnisse die Eindämmung der Entzündungskaskaden im Organismus im Vordergrund stehen.

 

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