Keine Unterscheidung zwischen BA.1 und BA.4/BA.5-Vakzinen

Stiko: Kein Booster für U60-Jährige

, Uhr aktualisiert am 20.09.2022 17:22 Uhr
Berlin -

Die Ständige Impfkommission (Stiko) spricht sich bei Covid-19-Auffrischimpfungen für den bevorzugten Einsatz der neuen, an die Omikron-Variante angepassten Präparate aus. Zur Viertimpfung wird aber nach wie vor nur bestimmten Gruppen wie Menschen ab 60 Jahren geraten, wie aus einer Stiko-Mitteilung vom Dienstag zu einem Beschlussentwurf hervorgeht. Es handelt sich noch nicht um eine finale Empfehlung.

Der Entwurf bezieht sich sowohl auf die kürzlich zugelassenen BA.1-Impfstoffe von Biontech und Moderna als auch auf das noch etwas neuere BA.4/BA.5-Vakzin von Biontech. Beide lösten verglichen mit den bisherigen mRNA-Impfstoffen eine verbesserte Antikörperantwort gegenüber verschiedenen Omikron-Varianten aus, hieß es. Hinzu kämen gleichbleibend gute Antworten gegen die Variante aus der frühen Phase der Pandemie.

Eine erste Auffrischimpfung (dritte Dosis) wird nach wie vor für Menschen ab 12 Jahren empfohlen – „im Regelfall 6 Monate nach
abgeschlossener Grundimmunisierung oder durchgemachter Infektion“. Zu den Gruppen, denen die Stiko schon länger eine zweite Auffrischung (vierte Dosis) empfiehlt, zählen neben Menschen ab 60 Jahren auch Risikopatienten wie Immungeschwächte ab 12 Jahren, Pflegeheimbewohner und Personal im Gesundheits- und Pflegebereich. Auch hier gilt in der Regel ein Abstand von sechs Monaten zur vorherigen Impfung oder Infektion.

Fünfte Dosis prüfen

Bei besonders gefährdeten Menschen wie Hochbetagten und Patienten mit Immunschwäche könne es abhängig von bisherigen Impfungen und Infektionen sinnvoll sein, noch eine fünfte Dosis zu verabreichen, teilte die Stiko weiter mit. Wenn bei Kindern von fünf bis elf Jahren eine besondere Indikation für eine Auffrischimpfung bestehe, so sollen laut Stiko-Beschluss weiterhin die bisherigen Impfstoffe verwendet werden, die für diese Altersgruppe empfohlen und zugelassen sind.

Nach Einschätzung des Expertengremiums dürften insbesondere Menschen, die sich im Zuge der Omikron-Welle seit Ende 2021 nicht mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, von einer Auffrischung mit einem fortentwickelten Impfstoff profitieren. Wer aber kürzlich bereits gemäß der bisherigen Empfehlung eine Auffrischimpfung mit den herkömmlichen Präparaten erhalten habe, benötige „keine gesonderte Extra-Impfdosis mit einem angepassten Impfstoff“.

Trotz der begrenzten Studiendaten schätze die Stiko die neuen Präparate als „sicher und gut verträglich“ ein, hieß es. Es gebe eine
große Ähnlichkeit zu den bisherigen mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19. Betont wurde in der Mitteilung dennoch: „Die Stiko fordert die Impfstoffhersteller ausdrücklich auf, Postmarketing Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit der Varianten-adaptierten Impfstoffe zu liefern und zu veröffentlichen.“

Schwierig für das Expertengremium war demnach die relativ dünne Datenlage. Insbesondere betrifft dies das neuere BA.4/BA.5-Präparat – die Stiko sei „nicht besonders glücklich", dass hierzu noch keine Daten aus Studien an Menschen vorliegen, sagte Mitglied Christian Bogdan. Für die Zulassung stützten sich Behörden im Kern auf Daten aus Versuchen an Mäusen, aber etwa auch auf Erkenntnisse zu den Vorläuferimpfstoffen. Fachleute sprechen beim BA.1-Impfstoff im Vergleich zu BA.4/BA.5 von der besseren Datenlage, hierzu gebe es Erkenntnisse aus Untersuchungen am Menschen. Analog zum Grippeimpfstoff wird wegen der Veränderungen des Virus eine vereinfachte Zulassung angestrebt.

Leben mit dem was man habe

Verschiedene Puzzlesteinchen hätten verknüpft und Analogieschlüsse gezogen werden müssen, bemängelte auch Stiko-Mitglied Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin vom Uniklinikum Freiburg. Aber man müsse mit dem leben, was man habe. Bogdan betonte, dass angesichts der umfangreichen Erfahrung mit den bisherigen Covid-19-Impfstoffen nicht zu erwarten sei, dass man in ein Problem hineinlaufen werde.

Aus Deutschland eliminieren lasse sich das Virus auch mit den angepassten Impfstoffen nicht, sagte Bogdan. Das Impfziel sei, schwere Erkrankungen, Krankenhausbehandlungen und Tod infolge von Corona-Infektionen zu verhindern. Es gehe hingegen nicht darum, Inzidenzen niedrig zu halten oder harmlosere Infektionen zu verhindern. Mittlerweile sei eine Situation erreicht, in der „eine sehr gute Basisimmunität in der Bevölkerung“ existiere.

Erstmal keine Viertimpfung

Immungesunde Menschen unter 60 mit den empfohlenen drei Impfungen bräuchten erst einmal keine Viertimpfung, sagte Bogdan. Auch eine durchgemachte Infektion sei hierbei wie eine Impfung zu bewerten. Der Rat von Fachleuten lautet, im Fall einer fälligen Auffrischung verfügbare Präparate zu nutzen und den Schritt nicht in Hinblick auf einen vermeintlich besseren, neueren Impfstoff aufzuschieben. Sonst laufe man Gefahr, in der Zwischenzeit zu erkranken.

Trotz der geplanten Empfehlung können auch die bisherigen Covid-19-Impfstoffe weiter benutzt werden. Bogdan betonte, alle vorhandenen Impfstoffe schützten sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen. Mit den neuen Präparaten gehe es darum, sich für eventuell künftig auftretende weitere Sublinien von Omikron aufzustellen.

Die Effektivität der angepassten Impfstoffe wird auch davon abhängen, welche Varianten in den kommenden Wochen und Monaten vorherrschen. Dies lässt sich bisher nicht absehen. Derzeit verursachen BA.4 und BA.5 nach Daten aus einer Stichprobe den allergrößten Teil der Infektionen bundesweit, wohingegen BA.1 schon länger keine Rolle mehr spielt.

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