Vor einem halben Jahr wurde der russische Vektorimpfstoff Sputnik V zugelassen. Damals kamen Zweifel auf, dass der Wirkstoff über eine ausreichende Wirksamkeit verfügt. Es kamen Zweifel am Studiendesign auf. Die Zulassung erfolgte vor Beendigung der klinischen Phase-III. In der EU wäre eine solche Zulassung nicht möglich gewesen. Nun liegen die Daten der zulassungsrelevanten Studie vor. Eine unabhängige Bewertung zeigt eine Wirksamkeit von über 90 Prozent.
Rund sechs Monate nach der Notfallzulassung in Russland sind erstmals Ergebnisse der klinischen Phase-III-Studie von Sputnik V, hier als Gam-Covid-Vac bezeichnet – erschienen. Im Fachjournal „The Lancet“ erfolgt die erste unabhängige Betrachtung der Studie. Die Vakzine scheint sicher und wirksam. Im Mittel liegt eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent vor. Im Unterschied zu AstraZeneca setzt das Gamaleya Center auf zwei verschiedene Adenoviren. Die erste Impfung beruht auf einem rAD26-Vektor, die Zweite auf einem rAD5-Vektor.
Das Grundprinzip des russischen Impfstoffes wird auch bei den Impfstoffen von AstraZeneca und Janssen verfolgt. Doch Russlands Impfstoff weist – nach unabhängiger Beurteilung – eine weitaus höhere Wirksamkeit auf. Das könnte daran liegen, dass die erste Dosis auf einem anderen Vektor beruht als die zweite. Geimpft wird wie bei allen Vakzinen intramuskulär. Der Impfabstand beträgt 21 Tage, die Impfmenge 0,5 ml.
In der Zeit vom 7. September bis zum 24. November wurden insgesamt 21.977 Erwachsene geimpft. 16.501 Personen erhielten den Impfstoff, 5476 erhielten eine Placebo-Injektion. 19.866 Probanden erhielten auch die zweite Impfung nach drei Wochen. Die restlichen Personen schieden vorzeitig aus. Am 21. Tag nach der ersten Injektion – also an dem Tag, an dem die zweite Dosis fällig war – wiesen 16 von 14.964 Personen, die tatsächlich mit der Vakzine geimpft worden sind, eine Sars-CoV-2-Infektion auf. In der Placebogruppe waren es 62 von 4902 Personen. Die Wirksamkeit beläuft sich somit auf 91,6 Prozent. Bei 0,3 Prozent der Probanden kam es zu schweren unerwünschten Ereignissen nach der Impfung. Keines der Ereignisse konnte in direkte Verbindung mit der Impfung gesetzt werden. Auch die insgesamt drei Todesfälle der Impfstoff-Gruppe konnten nicht auf die Impfung zurückgeführt werden.
Bei Gam-Covid-Vac handelt es sich um einen kombinierten Vektorimpfstoff, der auf rAd Typ 26 (rAd26) und rAd Typ 5 (rAd5) basiert. Beide für den Menschen ungefährliche Viren tragen das Gen für Sars-CoV-2-Glykoprotein S voller Länge. Die klinischen Phase-I/II-Studien wurden bereits im August vergangenen Jahres abgeschlossen. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass der Impfstoff bei gesunden Teilnehmern gut verträglich und wirksam war. Infolgedessen wurde der Impfstoffkandidat in Russland mittels Notfallzulassung eingeführt. Die Wirksamkeitsstudie, die klinische Phase-III-Studie, wurde erst nach der Notfallzulassung durchgeführt. Die nun vorliegenden Ergebnisse zur multizentrischen Phase-III-Studie enthalten auch eine Subanalyse zur Anwendung von Gam-Covid-Vac bei Erwachsenen über 60 Jahren.
In die Studie wurden nur Personen über 18 Jahre eingeschlossen. Weitere Zulassungskriterien waren negative HIV-, Hepatitis B- und C- und Syphilis-Testergebnisse, ein negativer Corona-Antikörpertest, ein negativer Urinschwangerschaftstest für Frauen im gebärfähigen Alter sowie negative Drogen- und Alkoholtests. Desweiteren wurden all diejenigen Personen von der Studie ausgeschlossen, die in der Vergangenheit bereits Impfreaktionen gezeigt hatten. In den letzten zwei Wochen vor Studienbeginn durften keine Infektions- oder Atemwegserkrankung vorliegen. Die Autoren der unabhängigen Begutachtung merken an, dass mögliche Sars-CoV-2-Infektionen während der laufenden Studie nur entdeckt werden konnten, wenn die Teilnehmer Symptome meldeten. Erst dann wurde ein PCR-Test durchgeführt.
Die Teilnehmer wurden in fünf Altersschichten eingeteilt.: 18 bis 30 Jahre, 31 bis 40 Jahre, 41 bis 50 Jahre, 51 bis 60 Jahre und über 60 Jahre. 42 Tage nach der ersten Dosis wurde bei allen Probanden der sogenannte geometrische Mitteltiter bestimmt. Die Antikörperniveaus unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern nicht – Männer und Frauen bildeten die gleiche Immunantwort aus. Was sich jedoch zeigte: Die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen baute den besten Immunschutz auf. In den anderen Altersgruppen ähnelten sich die Ergebnisse. Die Studie schloss 2144 Personen über 60 Jahre mit ein. Das Durchschnittsalter in dieser Gruppe betrug 65,7 Jahre. Die älteste Person war 87 Jahre alt. Der Impfstoff induzierte in allen Altersschichten eine ausreichende Immunantwort. Bei einer nachträglichen Stichprobe bei 342 Probandinnen zeigte sich, dass sechs Teilnehmer keine Immunantwort entwickelten.
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