Nach Debatte um geringere Wirksamkeit

Spahn verteidigt AstraZeneca-Impfstoff

/ , Uhr aktualisiert am 17.02.2021 14:34 Uhr
Berlin -

Äußerungen zur geringeren Wirksamkeit des Impfstoffs von AstraZeneca haben zu einer massiven Verunsicherung geführt. Teilweise werden Impftermine abgesagt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte die Vakzine – und appellierte an die in Frage kommenden Menschen etwa unter den Gesundheitsberufen, vernünftig zu sein und das Angebot zu nutzen.

Spahn unterstrich, dass der Impfstoff von AstraZeneca sicher sei. Anderenfalls hätte er gar nicht ordentlich zugelassen werden können. Er selbst würde sich damit impfen lassen, sobald er an der Reihe sei. „Das ist ein sicherer und wirksamer Impfstoff“, unterstrich er. Spahn appellierte an Pflegekräfte und Ärzte, Impfangebote zu nutzen.

Er warnte davor, Skepsis zu nähren. Man müsse jetzt aufpassen, dass man sich auch als Gesellschaft nicht „in etwas hineinrede“ und eine Impfung mit einem zugelassenen und wirksamen Stoff infrage stelle. Inzwischen seien fast 740.000 Dosen an die Länder geliefert worden, davon seien bisher knapp 90.000 verimpft. Dies laufe je nach Bundesland unterschiedlich, weil nicht alle am ersten Tag mit Impfungen begonnen hätten – etwa wegen nötiger organisatorischer Vorbereitungen.

Spahn betonte, es bleibe kein Impfstoff liegen. „Wenn Leute, die ihn angeboten bekommen, ihn nicht nehmen, werden wir ihn eben dem nächsten anbieten.“ Es werde sehr viele Bürger geben, die sich über einen sicheren und wirksamen Impfschutz freuten – auch hinreichend viele Pflegekräfte und Ärzte. Es sei eine Frage der Vernunft, sich impfen zu lassen. Anderenfalls riskiere man, unter Umständen schwer zu erkranken und andere Menschen anzustecken. Er appellierte, das Angebot anzunehmen und sich impfen zu lassen. Wer jetzt angeschriebe werde, gehöre schließlich zur Gruppe, die in Zeiten der Knappheit privielgiert und vorgezogen wurde.

Laut Spahn wurden bislang 4,5 Millionen Dosen aller drei Impfstoffe verimpft, ausgeliefert wurden 6,8 Millionen. Ende kommender Woche werden es nach seiner Einschätzung bereits zehn Millionen sein, man sehe also eine deutliche Dynamik.

Der Impfstoff von AstraZeneca hat eine geringere Wirksamkeit als die beiden anderen in Deutschland zugelassenen Vakzine von
Biontech/Pfizer und Moderna. Kürzlich wurde zudem bekannt, dass das Präparat bei einer zunächst in Südafrika entdeckten Variante wohl weniger vor milden und schweren Verläufen von Covid-19 schützt. Der Virologe Professor Dr. Christian Drosten sieht bei der Studie jedoch einige Einschränkungen und empfiehlt den Impfstoff.

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hält die Vakzine von AstraZeneca für einen „guten und sicheren Impfstoff“, wie er in einem Interview der Bayern-2-Radiowelt sagte. „Wir haben jetzt einfach noch zu wenig Impfstoff. Wir hoffen, dass es mehr wird. Aber jetzt geht es um die Einschätzung der Situation im Moment. Und da stehen die drei zur Verfügung, und da ist es eben kein Wunschkonzert“, betonte der Minister.

Der Virchowbund der niedergelassenen Ärzte hat den Impfstoff ebenfalls als elementaren Baustein zum Weg aus der Pandemie bezeichnet. „Wer aus Gründen des Populismus und der Selbstdarstellung den Impfstoff von AstraZeneca schlechtredet, indem er die Wirksamkeit anzweifelt [...], macht sich mitschuldig daran, wenn der Lockdown länger dauert als nötig und gerade die älteren Menschen weiter an Covid-19 sterben“, erklärte der Vorsitzende des Verbandes, Dirk Heinrich, am Mittwoch.

Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hatte am Dienstag auf Skepsis bei medizinischem Personal und Pflegekräften gegen das AstraZeneca-Präparat hingewiesen und empfohlen, sie nicht mit diesem Impfstoff impfen zu lassen. Die geringere Wirksamkeit sei nicht wegzudiskutieren, sagte er. Heinrich hielt dagegen: Jeder unter 65-Jährige, der nicht mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft werde, nehme einem Über-80-Jährigen aktuell das Vakzin von Biontech oder Moderna weg. „Weil diese dadurch ein höheres Sterberisiko haben, wird damit billigend in Kauf genommen, dass Über-80-Jährige nach Infektionen durch das Coronavirus vermehrt sterben“, sagte er.

In Niedersachsen ist bisher nur ein Bruchteil der gelieferten Impfdosen eingesetzt worden. Bisher erhielt das Land 72 000 Dosen, davon wurden bis einschließlich Dienstag aber erst 8806 verwendet, wie das Gesundheitsministerium in Hannover am Mittwoch auf Anfrage mitteilte. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus: Lediglich Nordrhein-Westfalen (34.124) und Bayern (12.092) setzten bisher mehr Impfdosen von AstraZeneca ein.

In Berlin liefen die Impfungen langsamer an als erwartet, in NRW haben wegen der öffentlichen Debatte um die Wirksamkeit einige Impfberechtigte ihre Termine platzen lassen. Einen landesweiten Überblick dazu gab es nach Auskunft des NRW-Gesundheitsministeriums am Mittwochmittag aber noch nicht. Zugleich betonte aber ein Ministeriumssprecher: „Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Der Impfstoff zeigt eine gute Wirksamkeit und eine gute Verträglichkeit, um schwere Erkrankungen mit Sars-CoV 2 zu verhindern.“

„Ja, bei uns wurden Termine abgesagt, Leute sind nicht gekommen“, sagte etwa eine Sprecherin des Kreises Paderborn. Grund sei offensichtlich Skepsis wegen des Impfstoffes. Absagen gab es nach einem Bericht der Siegener Zeitung etwa imImpfzentrum Siegen-Wittgenstein, wo Menschen über Impfreaktionen wie Abgeschlagenheit, Fieber oder Gliederschmerzen geklagt hätten. Die Westfälischen Nachrichten berichteten, dass in Münster etwa 30 Prozent der für die Impfung vorgesehenen Rettungsdienstmitarbeiter und ambulanten Pflegerinnen und Pfleger ihre Termine in der vergangenen Woche nicht wahrgenommen haben.

Geimpft werden mit dem Impfstoff von Astrazeneca die Impfberechtigten, die der höchsten Priorität angehören und die jünger sind als 65 Jahre – dazu zählt laut Gesundheitsministerium das Personal in der ambulanten Pflege und in den besonders gefährdeten Bereichen der Krankenhäuser. Die Impfzentren kontaktierten die entsprechenden Einrichtungen direkt.

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