Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel sind Mangelware. Die Regale in Apotheken sind leergefegt. Um die Mangelwirtschaft bei Desinfektionsmitteln wenigstens teilweise in den Griff zu bekommen, will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt den Apotheken die Herstellung von Desinfektionsmittel erlauben. Laut ABDA steht eine entsprechende verbindliche Regelung kurz bevor.
Desinfektionsmittel seien „ein Thema“, sagte Spahn im ZDF Heute-Journal. Er wolle „möglich machen, dass sie sie wieder leichter herstellen können in den Apotheken. Das glaube ich, kriegen wir wieder in den Griff.“ Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, „eine Ausnahmeregelung für Apotheken zur Herstellung von Desinfektionsmittel ist derzeit in Arbeit“. Die ABDA-eigene PZ hatte berichtet, dass Desinfektionsmittel – egal ob zur Flächen- oder Händedesinfektion – unter die EU-Biozidverordnung fielen und deshalb nicht von Apotheken ohne Zulassung hergestellt werden dürften. Die Verordnung sehe jedoch eine zeitlich befristete Ausnahme von diesem Verbot vor, wenn ein Notfall eintrete. Dieser müsse von „einer zuständigen Behörde“ offiziell festgestellt werden.
Sobald die rechtlichen Hürden für eine Herstellung von Desinfektionsmitteln in der Apotheke aus dem Weg geräumt seien, werde die ABDA die Apotheken über die Mitgliedsorganisationen informieren und auch Empfehlungen für entsprechende Rezepturen aussprechen. Allerdings gibt es in den ABDA-Mitgliedsorganisationen auch andere Einschätzungen zur Herstellung von Desinfektionsmitteln: Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg informiert ihre Mitglieder dagegen aktiv über die Eigenherstellung: „Da aktuell die Verfügbarkeit von Handdesinfektionsmitteln stark eingeschränkt ist, verweisen wir auf die Möglichkeit der Eigenherstellung in der der Apotheke.“ Die Kammer bezieht sich auf den Weltapothekerverband FIP, der seinerseits auf die beiden von der WHO empfohlenen Rezepturen verweist.
In den Apotheken herrscht derweil offenbar Unsicherheit: Ein Apotheker berichtet, dass ihn zahlreiche Kollegen deswegen anrufen. „Es herrscht großer Frust in Apothekers‘ Welt.“ Die Kammern, Verbände und ABDA verwiesen auf die Seiten des RKI, WHO, Bundesamt für gesundheitliche Aufklärung. Wie solle man dies dann in der momentanen Situation alles durchforsten? Welche Desinfektion helfe? Da werde dann auf eine Liste von Herstellern verwiesen, die allesamt nicht lieferbar seien. Doch was genau können wir machen?, fragt sich der Apotheker, außer mit dem Spruch zu hausieren, Ruhe zu bewahren und auf Niesetiketten zu verweisen, wie sie die Tage in allen Medien schon zu lesen war.
Wo er und seine Kollegen die Rohstoffe wie Ethanol oder auch nur Plastikflaschen herbekomme, möchte der Apotheker wissen: „Ich denke, dass dies Aufgabe unserer Standesvertretung gewesen wäre.“ Eine Kollegin habe ihn informiert, dass die Herstellung von ethanolischen Gemischen zulässig sei, die von Isoprop aber nicht.
Er habe den ganzen Tag nichts anderes gemacht, als zu recherchieren, ob und wie man legal Desinfektionsmittel „unter die Leute bringt“. Das könne es doch nicht sein. Und letztendlich habe der Großhandel keinen Alkohol mehr, die Firma Wepa keine Plastikflaschen. Ihn gehe es mitnichten darum, Panik zu schüren, denn das passiere doch medial schon mehr als genug. Aber er würde gerne darauf hinweisen, dass „wir absolut gar nichts im Griff haben und durch Gesetze im Handeln noch gegängelt werden, am Ende sogar noch riskieren, mit horrenden Strafen abgemahnt zu werden“. Dabei gehe es den Apothekern vor Ort doch nur um eines: „Wir möchten unseren Kunden helfen.“ Und viele davon brauchten nicht nur wegen Corona Desinfektionsmittel. Und auch die Atemschutzmasken gingen zur Neige: „Muss ich dann demnächst Rezepturen aufgrund Mitarbeiterschutz ablehnen?“
Spahn wird morgen den Bundestag über das Krisenmanagement beim Coronavirus unterrichten. Dazu will eine Regierungserklärung abgeben. Am Nachmittag ist nach Ministeriumsangaben ein Treffen mit den Gesundheitsministern der Länder vorgesehen. Am Mittwochvormittag will Spahn auch erneut mit Spitzenvertretern von Ärzten, Kliniken, Apotheken und Krankenkassen über die Lage beraten.
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