Ärger wegen Milchglasscheibe

„Sollte Ihnen langweilig sein...“ – Streit um Präqualifizierung

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Berlin -

Die Präqualifizierung ist vielen Apothekern schon zu normalen Zeiten ein Dorn im Auge: viel Aufwand, sinnlos erscheinender Formalismus und am Ende auch noch wenig Ertrag in der Hilfsmittelversorgung. Mitten in der Corona-Pandemie fühlen sich die Apotheken von Fristen für das vorgeschriebene Zwischenaudit gegängelt – vor allem, wenn es um eine Milchglasscheibe geht.

Auch die Phönix-Apotheke in Wolfsburg bekam zuletzt Post von der Abda-eigenen Agentur für Präqualifizierung (AfP). Es ging um die turnusgemäße Überwachung der Apotheke sowie der Filialen. Das Zertifikat wird jeweils für fünf Jahre ausgestellt, muss aber zweimal nach jeweils 20 Monaten überprüft werden.

Aus Sicht von Inhaberin Claudia Hagedorn und ihrer QM-Beauftragten sollte dabei eigentlich die Angabe ausreichen, dass sich in den Apotheken seit der Zertifizierung nichts Maßgebliches geändert hat. Doch die Präqualifizierungsstelle forderte neue Unterlagen. Nach Darstellung der Apotheke reichten jedoch die übersandten Fotos nicht aus, da der abgebildete Raum nicht eindeutig dem hinterlegten Grundriss zuzuordnen sei.

Außerdem habe sich die AfP an der Milchglasscheibe des Beratungszimmers gestört, weil von außen Schattenbewegungen zu sehen sein. Offenbar wünschte man sich einen blickdichten Abschluss – eine Forderung, die bei der ursprünglichen Präqualifizierung übrigens nicht gestellt worden sei. Apothekerin Hagedorn fühlt sich von der AfP „malträtiert und gegängelt“.

Ende vergangener Woche wurde der Phönix-Apotheke mitgeteilt, dass das Überwachungsaudit noch nicht vollständig sei. Die fehlenden Unterlagen könnten online nachgereicht werden. „Liegen uns die Nachweise bei Fristablauf nicht vor, kann somit die Konformität zur bestehenden Präqualifizierung im Überwachungsaudit nicht hergestellt werden, müssen wir die Präqualifizierung einschränken, aussetzen oder zurückziehen“, schrieb die AfP.

Die QM-Beauftragte der Apotheke schickte im Auftrag ihrer Chefin eine ziemlich geladene E-Mail nach Eschborn: „Aufgrund der aktuellen Situation mitten in der Corona-Pandemie haben wir bei Weitem andere Sorgen und Probleme als uns um das Nachreichen der Audit-Dokumente zu kümmern… Ihre Mitarbeiter befinden sich – laut Ihrem Anrufbeantworter – alle im Home-Office. Wir dagegen arbeiten täglich an der Front im Kampfe gegen das Corona-Virus und haben an allen Ecken und Enden zu tun und sehen uns gerade absolut nicht in der Lage dazu, Ihre Nachfragen zu bearbeiten.“

Sie bat um Aufschub für das Einreichen der Dokumente, bis sich die Corona-Pandemie-Situation in Deutschland wieder normalisiert hat. Die Mitarbeiterin der Phoenix-Apotheke hat sowieso wenig Verständnis für die Nachfragen. Schließlich handele es sich um Apotheken mit gültiger Betriebserlaubnis, die ohnehin strengsten Auflagen unterliege. Es sei „absolut unverständlich“, wie die AfP auch nur den leisesten Zweifel anmelden könne, der Verkaufsraum der Apotheke sei unzureichend. Die Gegebenheiten seien auf den früher eingereichten Fotos zu sehen.

Die Stimmung in der Apotheke ist nach dem Schriftwechsel mit der AfP wirklich vergiftet: „Schön, dass Sie für so kleinkariertes, nicht nachzuvollziehendes Arbeiten Zeit haben… Wir haben es eigentlich nie! Und im Moment schon gar nicht! Sollte Ihnen langweilig sein, schicken Sie doch bitte Ihre Apotheker und PTA zu uns (oder zu anderen Apotheken) an die Front in den Kampf gegen das Corona-Virus.“

Die AfP antwortete schriftlich und gewährte Aufschub um zwei weitere Monate. Die Apotheke sollte jetzt bis Anfang Juni die noch fehlenden Dokumente nachreichen. Sollte bis zu dieser Frist allerdings nicht alles vorliegen, werde der Antrag abgelehnt, „beziehungsweise bei einem Audit Ihr aktuelles Zertifikat entziehen, einschränken oder aussetzen“. Die Fristverlängerung verlängere auch nicht das Ablaufdatum der aktuell gültigen Präqualifizierung. Sollten nicht alle Anforderungen erfüllt werden, könne die neue Präqualifizierung nicht nahtlos anschließen, „sodass Ihnen eine Versorgungslücke entsteht“.

Telefonisch ist die AfP derzeit tatsächlich nicht zu erreichen. Es gibt aber online folgenden Hinweis: Für Leistungserbringer, die wegen SARS-CoV-2 die systemrelevante Versorgung aufrecht erhalten müssen – dazu zählen Apotheken, kann die Überwachung für bis zu sechs Monate verschoben werden. Mit einem Dokument der akkreditierten PQ-Stelle kann die Apotheke bei der Krankenkasse vorsprechen. Mit dieser könnte dann abgestimmt werden, ob vorläufig auf ein Präqualifizierungszertifikat verzichtet werden kann.

Apothekerin Hagedorn hat die zweimonatige Fristverlängerung beantragt und bewilligt bekommen, kann über den ganzen Vorgang aber nur den Kopf schütteln. Sie findet die strikte Umsetzung in der aktuellen Phase unangemessen und kann auch nicht verstehen, warum ihre Berufsvertretung überhaupt solche Verträge geschlossen hat. Dann könne sie sich auch die Mitgliedschaft im Landesapothekerverband sparen.

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