Laufende Nasen, Halsschmerzen und Husten: Erkältungen sind in den Herbst- und Wintermonaten keine Seltenheit. In diesem Jahr könnte die Erkältungszeit jedoch eine Herausforderung werden: Denn sie könnte nicht nur von der saisonalen Grippe, sondern auch durch Covid-19 beeinträchtigt werden. Forscher fanden jedoch heraus, dass Rhinoviren den Verlauf anderer Viruserkrankungen verzögern können. Demnach könnte ein harmloser Schnupfen die Grippesaison hinauszögern – und auch den Verlauf der Coronapandemie beeinflussen, wie In-vitro-Experimente im Fachjournal „Lancet Microbe“ hoffen lassen.
Die Basis für diese Theorie stellt die sogenannte „virale Interferenz“ dar – sie wurde bereits 1957 entdeckt: Zwei Virologen beobachteten, dass Hühnereier, die mit dem Influenzavirus infiziert wurden, Substanzen bildeten, die andere Hühnereier vor einer Infektion schützten – die Interferone.
Seitdem konnten bereits einige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Viruserkrankungen auf dieser Grundlage aufgezeigt werden: So wurde bereits 2009 vermutet, dass Rhinoviren, die für harmlose Erkältungsinfekte verantwortlich sind, vor der Schweinegrippe schützen konnten: Nachdem das Virus im Frühjahr in Nordamerika aufgetreten war, traf es im Herbst auch Europa. Die Länder, in denen zu diesem Zeitpunkt eine massive Schnupfenepidemie herrschte – darunter Frankreich und Schweden – wurden erst verspätet vom H1N1-Virus getroffen. Insgesamt verlief die Schweinegrippe in Europa damals relativ mild – einige Forscher machen dafür die virale Interferenz der Rhinoviren verantwortlich.
Auch auf die saisonale Grippewelle könnte dies Einfluss haben: Forscher der Yale University in New Haven konnten zeigen, dass in den Saisons 2016/17 bis 2018/19 die Grippewelle immer genau in der Zeit zwischen den Rhinovirusepidemien im Herbst und Frühling auftrat. Die 13.000 Proben der drei Saisons zeigten zudem, dass es während den Rhinovirusepidemien 84 Prozent seltener Grippeviren nachgewiesen wurden.
Um diese These zu untermauern, versuchte das Team die virale Interferenz im Labor nachzuweisen: Dazu wurden Zellkulturen aus Atemwegsepithelien mit Rhinoviren infiziert. Daraufhin zeigte sich, dass Gene für die Interferonbildung ausgebildet wurden. Einige Tage später wurden die Zellkulturen mit Influenza A H1N1pdm09 infiziert. Die Rhinoviren konnten die Replikation des zweiten Virus verhindern – ein PCR-Rest ermittelte eine 15-mal geringere Viruslast als in den Kontrollversuchen. Eine Interferenz zwischen Rhino- und Influenzaviren gilt damit als bestätigt. Wurden die Zellkulturen zuvor mit einer Substanz behandelt, die die Produktion von Interferonen verhindert, konnte die Infektion mit Grippeviren nicht unterbunden werden. Dies zeigt, dass definitiv die Wirkung der Interferone zugrunde liegt.
Das Team geht davon aus, dass die virale Interferenz auch Einfluss auf die Coronapandemie in den Herbst- und Wintermonaten haben könnte: Im Prinzip könnten Rhinoviren dabei helfen, Sars-CoV-2 und die saisonale Grippe zurückzudrängen. Ob eine virale Interferenz vorliegt, bleibt jedoch abzuwarten.
Bereits zu Beginn des Jahres konnten Forscher auch einen weiteren Zusammenhang feststellen: Eine Influenza-A-Infektion kann den Wirt offenbar weniger anfällig für eine nachfolgende Infektion mit Rhinoviren machen. Die Studie des University of Glasgow Centre for Virus Research konnte zeigen, dass die Interaktion zwischen Erkältungs- und Grippeviren das Auftreten von Erkältungen während einer Grippe-Hochsaison senken kann – Grund dafür sei eine adaptive Immunität. Mithilfe von mathematischen Simulationen und Berechnungen konnten die Wissenschaftler Tendenzen für Coinfektionen feststellen. Das Team spricht von einer „vorübergehenden immunvermittelten Kreuzprotektion“, die die Virusübertragung verändern kann. Bei einer Simulation von zwei Tagen während des Höhepunktes der Influenza-Virusaktivität konnten die Erkältungen um 23 Prozent verringert werden, bei sieben Tagen sogar um 61 Prozent.
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