Die Corona-Impfungen sollen in erster Linie vor schweren Erkrankungsverläufen mit Covid-19 schützen. Forschende der Universität Ulm haben nun eine mögliche Schutzwirkung auf Erkältungen durch saisonale Coronaviren untersucht und ihre Ergebnisse im Fachjournal „Clinical Infectious Diseases“ vorgestellt.
Das Covid-auslösende Virus Sars-CoV-2 gehört zu den Coronaviren und ist damit eng mit heimischen Erkältungsviren verwandt. Das Team der Universität Ulm wollte herausfinden, inwiefern eine Schutzimpfung gegen Covid-19 auch Erkältungs-Coronaviren hemmen kann. Die Forscher:innen konnten zeigen, dass eine Covid-19-Impfung die neutralisierende Aktivität erhöhen kann.
Der Begriff „Coronavirus“ wird im Zuge der Pandemie oft mit Sars-CoV-2 gleichgesetzt. Es gibt jedoch nicht nur dieses eine Coronavirus – eigentlich bezeichnet der Begriff eine ganze Gruppe von Viren. Zu den Coronaviren gehören lebensbedrohliche Vertreter wie SARS und MERS, aber auch einige harmlose Viren, die zu Erkältungen führen.
„Die unterschiedlichen Coronaviren ähneln sich im Aufbau des Spike-Proteins, das an menschliche Zellen bindet und somit deren Infektion ermöglicht. Alle Covid-Impfungen nutzen dieses Protein von Sars-CoV-2 zur Immunisierung“, erklärt Professor Frank Kirchhoff, Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie. Tatsächlich konnen die Wissenschaftler:innen einen gewissen Schutzeffekt der Impfung gegen andere saisonale Coronaviren nachweisen.
Für die Untersuchung spendeten 24 Proband:innen zwei Mal Blutserum – einmal vor einer Kreuzimpfung mit den Impfstoffen von AstraZeneca und Biontech, das zweite Mal zwei Wochen nach der vollständigen Impfserie. Mit den Proben wurden anschließend Neutralisations-Experimente durchgeführt, um zu ermitteln wie effektiv die Seren die Infektion von Zellen durch verschiedene Coronaviren hemmen. Die Virusvermehrung wurde in den Blutproben anhand der Produktion von viraler Erbsubstanz und Proteinen bestimmt. „Um mögliche Effekte der Covid-19-Impfung nachzuweisen, haben wir zunächst die neutralisierende Wirkung der Seren analysiert, die vor der Impfung abgegeben wurden. Die Ergebnisse wurden dann mit der Neutralisierungs-Effizienz unterschiedlicher Coronaviren nach der Kreuzimpfung verglichen“, erläutern die Erstautoren Jan Lawrenz und Qinya Xie.
Danach gingen sie noch einen Schritt weiter, um auch die Hemmung von lebensbedrohlichen Erregern wie Sars-CoV-2 und MERS zu untersuchen: Hierfür wurden nicht vermehrungsfähige Viruspartikel hergestellt, welche mit den Spike-Proteinen der Erreger von SARS, MERS und Covid-19, aber auch von Erkältungs-Coronaviren ausgestattet wurden. Die Rede ist dann von sogenannten „pseudotypisierten Viruspartikeln“. Ihre Untersuchungen untermauerten die vorherigen Ergebnisse mit vermehrungsfähigen Coronaviren.
Bereits vor der Impfung zeigten die Seren eine neutralisierende Aktivität gegenüber verschiedenen Erkältungsviren – auch Sars-CoV-1 und MERS. Nach der Kreuzimpfung konnte diese um das 1,5- bis 4-fache gesteigert werden. „Unsere Studie zeigt, dass die Covid-Impfung die neutralisierende Aktivität der Seren gegen saisonale Coronaviren verstärkt. Dabei stellt sich die Frage, ob Antikörper gegen das Sars-CoV-2 Spike-Protein mit den anderen Coronaviren ,kreuzreagieren‘, oder ob die Impfung bereits vorhandene B-Zellen gegen Erkältungsviren reaktiviert. Die vorläufigen Daten deuten darauf hin, dass die Reaktivierung vorhandener B-Zellen eine relevante Rolle spielt“, fasst Dr. Janis Müller, Wissenschaftler am Ulmer Institut für Molekulare Virologie, die Ergebnisse zusammen. Das Team geht davon aus, dass die Impfungen saisonale Erkältungen zwar nicht verhindern können – allerdings könnten sie in Häufigkeit, Dauer und Schwere günstig beeinflusst werden. Weitere Studien sollen Klarheit bringen.
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