Schwerwiegende neurologische Krankheitsbilder

Schlaganfall bei Covid-19

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Berlin -

Im Rahmen einer Covid-19-Infektion scheint es gehäuft auch zu schwerwiegenden neurologischen Krankheitsbildern wie einem Schlaganfall oder dem Guillain-Barré-Syndrom zu kommen. Tritt solch ein Ereignis ein, lagen zuvor häufig keine typischen Corona-Symptome vor. Was Mediziner aktuell noch überrascht: Auch junge Patienten mit milderen Verläufen und ohne Vorerkrankungen können betroffen sein.

Eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 kann sich nicht nur mit Fieber, Husten und Atembeschwerden äußern, sondern auch neurologische Symptome verursachen. Das ist das Ergebnis einer Studie chinesischer Wissenschaftler mit Patienten in Wuhan, dem Epizentrum der Pandemie, von dem aus sich das Virus weltweit ausbreitete. Wie die Mediziner im Fachblatt „Jama Neurology“ berichten, zeigte ein gutes Drittel der von ihnen untersuchten 214 Patienten Anzeichen dafür, dass das Virus das Nervensystem geschädigt hatte. Zu den häufigsten Symptomen in der Mitte April ausgewerteten Beobachtungsstudie gehörten Schwindel und Kopfschmerzen sowie Riech- und Geschmacksstörungen.

Apoplex und Covid-19

Nun liegen einige Fallberichte vor, die einen Apoplex bei jungen Covid-19-Patienten beschreiben. Zum Teil wiesen die Erkrankten zuvor keine typische Covid-19-Symptome auf. Die Apoplexinzidenz bei Covid-19 scheint erhöht. In Wuhan konnten Mediziner eine Häufung beobachten – die Inzidenz stieg in der Stadt um 5 Prozent. Bereits bei der Sars-CoV-1 Pandemie 2004 in Singapur konnte eine erhöhte Apoplexrate beobachtet werden.

Die Fallberichte über Schlaganfälle bei jungen Patienten mit milderen Covid-19 Verläufen in New York zeigen, dass ein Schlaganfall auch ein Erstsymptom von Covid-19 sein kann. In dem Bericht geht es um fünf Patienten zwischen 33 und 49 Jahren, die aufgrund eines Schlaganfalls stationär behandelt wurden. Zwei Patienten zeigten zum Aufnahmezeitpunkt keine typischen Corona-Symptome. Da sie eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 befürchteten, verzichteten sie zunächst auf den Notruf. Diese Patienten wiesen kaum Nebendiagnosen oder Risikofaktoren auf.

Die Ursache für die erhöhte Schlaganfallgefahr ist bisher unbekannt. Als mögliche Ursache sehen Mediziner und Wissenschaftler eine Vaskulitis oder Endotheliitis. Vaskulitis steht für Gefäßentzündung und ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, bei denen es durch autoimmunologische Prozesse zu Entzündungen von Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen kommt. Auch bei einer Endotheliitis werden die Gefäße geschädigt. Für schwere Covid-19-Verläufe werden unter anderem die ACE2-Rezeptoren verantwortlich gemacht – diese finden sich auch auf dem Endothel der Gefäße. Durch erste Autopsie-Studien verdichten sich auch die Annahmen, dass die Virusinfektion zu einer systemischen Gerinnungsaktivierung und zu einem erhöhten Risiko für Thromboembolien führen kann. Wahrscheinlich werden insbesondere bei Patienten mit vorgeschädigtem Endothel Folgeerscheinugnen wie Mikrozirkulationsstörungen, Thromboembolien und Organversagen begünstigt.

Sars und Mers

Von Sars und auch Mers – ebenfalls Erkrankungen, die auf ein Coronavirus zurückgehen – ist bekannt, dass sie Schädigungen des Nervensystems bewirken können. Experimentell wurde für beide Infektionen belegt, dass das Virus über die Riechnerven in der Nasenhöhle ins Gehirn eintreten kann. Ob ein Atemstillstand bei Sars-CoV-2-Infizierten auch als Resultat neurologischer Schäden angesehen werden kann, wird aktuell diskutiert. Mediziner nehmen an, dass die Atmung bei einer Entzündung eines speziellen Bereichs im Hirnstamms aussetzen könnte.

Guillain-Barré-Syndrom und Miller-Fisher-Syndrom

Auch über Infizierte mit anderen schwerwiegenden neurologischen Krankheitsbildern liegen berichte vor – darunter Patienten mit einem Guillain-Barré-Syndrom oder einem Miller-Fisher-Syndrom. Betroffene Patienten leiden beispielsweise unter Ophthalmoparese, Ataxie und Areflexie (Ausbleiben reflektorischer Reaktion auf Reize). Patienten, die unter einer Ophthalmoparese leiden, können ihr Augen oft kaum oder gar nicht mehr bewegen, sie sind wie gelähmt. Auch der geordnete Ablauf von Muskelbewegungen nimmt mit voranschreitender Erkrankung immer weiter ab. Bekannt ist, dass das Guillain-Barré-Syndrom häufig nach Infektionen mit dem Zytomegalievirus entsteht. Die Myelinschicht der peripheren Nerven wird durch eine überschießende Autoimmunreaktion geschädigt – Reize können kaum mehr übertragen werden. Als Folge treten Paresen auf. Diese unvollständigen Lähmungen können auch die Atemmuskulatur betreffen.

Die Ursachen des Miller-Fisher-Syndroms sind noch nicht endgültig geklärt. Es wird als eine Variante des Guillain-Barré-Syndroms angesehen und tritt meist nach einer Infektion mit dem bakterium Campylobacter jejuni auf. Zu den Frühsymptomen gehören Fieber, Kopfschmerzen und Pneumonie.

 

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