Antikörperstudie in München

„Sars-Cov-2 viel gefährlicher als Grippe“

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Berlin -

Neben der Impfstoffentwicklung spielt noch immer die Herdenimmunität eine wichtige Rolle zur Eindämmung der Pandemie.  Verschiedene Antikörperstudien haben bereits versucht zu ermitteln, wie viele Menschen tatsächlich Antikörper gegen Sars-CoV-2 gebildet haben. Eine Untersuchung aus München zeigt nun erneut eine hohe Dunkelziffer – die tatsächlichen Infektionen seien etwa viermal so hoch wie der Anteil der offiziell registrierten Infektionen.

Im April hatte das Tropeninstitut München seine Untersuchung gestartet: Gut 80 Medizinstudenten kleideten sich in Schutzmontur und gingen nach einem bestimmten Raster in München von Haus zu Haus. Dabei wurden die Anwohner befragt, einige Freiwillige stellten zudem Blutproben zur Verfügung. Begleitet wurden die Studenten oft von Polizisten – „damit deutlich wurde, dass es sich um ein Forschungsprojekt und nicht um Corona-Betrüger handelte“, wie die FAZ berichtet.

Knapp 3000 Haushalte konnten in die Untersuchung aufgenommen werden, mehr als 5300 Bewohner über 13 Jahren stellten bis Juni ihre Blutproben zur Verfügung. Die Teilnehmergruppe sei somit „repräsentativ und gut mit der Münchner Gesamtbevölkerung über 13 Jahren vergleichbar.“

Covid gefährlicher als Grippe

Kürzlich wurden die Ergebnisse der Antikörperstudie schließlich vorgestellt. Michael Hölscher, Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der LMU, kam dabei zu einem wesentlichen Fazit: „Sars-CoV-2 ist demnach viel gefährlicher als Grippeerkrankungen.“ Die Sterblichkeitsrate für Covid-19 lag in der Studie bei 0,76 Prozent und sei damit „um ein Vielfaches über der für saisonale Grippeinfektionen“, erklärte Hölscher.

Mithilfe der Blutproben hatten die Forscher eine Infektionsrate für die Münchner Bevölkerung zwischen April und Juni ermittelt – 1,8 Prozent hatten demnach in diesem Zeitraum Antikörper gegen das neuartige Coronavirus entwickelt. Anhand der gemeldeten Covid-19-Todesfälle wurde schließlich die Infektionssterblichkeitsrate berechnet.

Erneut hohe Dunkelziffer ermittelt

Es fiel auf, dass die Anzahl der mittels PCR-Test positiv getesteten Bewohner im Vergleich zur ermittelten Infektionsrate von 1,8 jedoch viel niedriger war – der Anteil betrug vergleichsweise nur 0,4 Prozent. „Die Anzahl der tatsächlich Infizierten war also etwa viermal so hoch wie der Anteil der offiziell registrierten Infektionen“, resümiert die FAZ. Das Infektionsgeschehen sei durch die Tests damals nicht realistisch wiedergegeben worden, erklären die Forscher.

Das liege auch an der damaligen Teststrategie, bei der vor allem bei Verdachtsfällen und symptomatisch Erkrankten getestet wurde. Mittlerweile ist jedoch klar, dass viele Verläufe nur leicht oder gar asymptomatisch verlaufen. Diese Fälle seien damals jedoch durch das Raster gefallen und unentdeckt geblieben – „mit erheblichen Konsequenzen“, wie die FAZ schreibt: „Die, die nicht gefunden wurden, konnten erheblich zum Infektionsgeschehen beitragen.“ Die immer wieder herbeigesehnte Herdenimmunität und Durchseuchung der Bevölkerung liege bei einer Infektionsrate von weniger als 2 Prozent „in weiter Ferne“, erklärte Hölscher. Durch die neuen Teststrategien würde jedoch inzwischen ein höherer Anteil an Infizierten erkannt.

Viele Ansteckungen innerhalb des Umfeldes

Die Studie aus München beschäftigte sich ebenfalls mit der Frage, ob sich Infektionen innerhalb eines Wohnhauses häufen: In Mehrfamilienhäusern wurde immer ein Haushalt pro Stockwerk für die Untersuchung ausgewählt. Das Ergebnis: Innerhalb von Wohnhäusern und in bis zu 200 Meter Entfernung kam es zu einer Infektionshäufung. Diese sei jedoch nur leicht gewesen. Für die Forscher keine unerwartete Entdeckung – denn „im geographischen Umfeld finden viele soziale Kontakte statt“. Auch die damals noch nicht so hohen Schutzmaßnahmen hätten dabei eine Rolle gespielt. Die Quarantänemaßnahmen für Personen eines Haushalts seien daher absolut sinnvoll.

Eine weitere Frage, die die Forschung derzeit beschäftigt, ist wie lange die protektiven Antikörper gegen Sars-CoV-2 vorhalten und nachweisbar sind. Während des Studienzeitraums konnten die Wissenschaftler keine Abnahme der Antikörper beobachten. Es sei jedoch unklar, ob sie vor einer weiteren Infektion schützen könnten.

Die Studie in München soll nun weiter fortgesetzt werden, um offene Fragen in Zukunft klären zu können. Die Teilnehmer der Studie sollen nun ein Test-Kit per Post erhalten und sich mithilfe einer Video-Anleitung selbst Blut aus der Fingerbeere entnehmen. Die Blutproben werden dann vom Institut erneut untersucht. Hölscher kündigte der FAZ zufolge bereits an, die Teilnehmer auch ein drittes und viertes Mal um Unterstützung zu bitten, da die „KoCo19“- Studie langfristig angelegt und die Pandemie „noch lange nicht vorbei“ sei.

 

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