Der französische Pharmakonzern Sanofi hat am Dienstag seine Zuversicht unterstrichen, bald in großen Mengen einen Impfstoff gegen das Coronavirus auf den Markt bringen zu können. Vorstandschef Paul Hudson sagte, man sei „ein bisschen langsamer“ als manche Konkurrenten, habe „aber größere Chancen auf den Erfolg“. Die Forschung an Diabetes wird hingegen aufgegeben. Auch neue Medikamente für Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden nicht mehr entwickelt.
Bisher ging Sanofi von einer Zulassung seines Impfstoffes in der zweiten Jahreshälfte des kommenden Jahres aus. Nun zieht der Konzern die vermutete Zulassung vor – jetzt soll es schon im ersten Halbjahr 2021 zur Markteinführung kommen. Für eine schnellere Entwicklung arbeitet Sanofi mit GlaxoSmithKline (GSK) zusammen. Innerhalb des gemeinsamen Projektes steuert Sanofi das S-Protein Covid-19-Antigen bei, das auf einer rekombinanten DNA-Technologie basiert. Diese Technologie hat eine genaue genetische Übereinstimmung mit Proteinen auf der Oberfläche von Sars-CoV-2 erzielt. GSK hingegen wird die Pandemie-Adjuvans-Technologie mit einbringen. Durch die Verwendung eines Adjuvans kann die pro Dosis erforderliche Menge an Impfstoffprotein reduzieren werden. Dennoch sind die Fortschritte der Kooperation langsamer als bei der Konkurrenz.
Etliche Sanofi-Konkurrenten haben in den vergangenen Wochen über ihre Fortschritte in der Impfstoff-Entwicklung berichtet. So will Moderna in Amerika die Phase-III-Studie im Juli beginnen. Im Herbst sieht AstraZeneca die Möglichkeit, die eigene Phase-III-Studie bereits abzuschließen. Der Konzern kooperiert mit der Universität Oxford. Hier macht sich der Zeitunterschied bemerkbar, denn Sanofi hat vor, erst im September mit den ersten klinischen Tests zu beginnen. Von Beunruhigung aufgrund des aktuell bestehenden Wettlaufes jedoch keine Spur: „Wir haben den einzigen Impfstoff im Rennen, der auf einer bewährten Plattform aufbaut, die im großen Stil funktioniert“, sagte Hudson. „Unsere Wahrscheinlichkeit, einen Impfstoff mit einer Effektivität von mehr als 70 Prozent zu haben, ist wahrscheinlich höher als bei den anderen.“
Sanofi und GSK gehören zu den vier größten Impfstoffherstellern der Welt. Ebenfalls ganz vorne mit dabei: Pfizer und Merck. Sanofi forscht gleichzeitig an einem Impfstoffkandidaten, der mittels der noch unerprobten Messenger-RNA-Technologie wirken soll. Hier konnte der Konzern nach eigenen Aussagen ebenfalls Fortschritte verzeichnen. In Zusammenarbeit mit dem französischen Unternehmen Translate Bio soll hier ein weiterer Impfstoffkandidat entwickelt werden. Die Wirkung beruht auf im Labor synthetisierten Botenstoffen, die in Nanopartikel verkapselt zu einer Immunreaktion im Körper führen. „Die Teams von Translate Bio und Sanofi Pasteur haben im Rahmen unserer laufenden Zusammenarbeit mit mRNA-Impfstoffen ermutigende präklinische Daten für mehrere Ziele bei Infektionskrankheiten erstellt. Diese Arbeit wird als starkes Fundament dienen, wie wir direkte gemeinsame Forschungsanstrengungen gegen Covid-19 zur Bekämpfung dieser Bedrohung der öffentlichen Gesundheit koordinieren“, sagte Ronald Renaud, Vorstandsvorsitzender von Translate Bio.
Um die Kooperation weiter ausbauen zu können, beteiligt sich Sanofi mit 125 Millionen Dollar an Translate Bio. Sanofi erhält die weltweiten Rechte an der Entwicklung, Herstellung und am Vertrieb der geplanten Impfstoffe. Translate Bio habe Teilrechte am erwarteten Umsatz. Die Einnahmen werden auf bis zu 1,9 Milliarden Euro geschätzt.
Das noch relativ neue Prinzip der mRNA-Impfstoffe bietet aus Sicht der Unternehmen einen innovativen Ansatz. Diese Impfstoffe liefern eine Nukleotidsequenz, die das Antigen oder die Antigene codiert, die aufgrund ihres hohen Potenzials zur Induktion einer schützenden Immunantwort fähig sind. mRNA-Impfstoffe stellen aus mehreren Gründen auch eine potenzielle Alternative zu herkömmlichen Impfstoffansätzen dar: ihre hohe Wirksamkeit, die Fähigkeit, die Proteinproduktion ohne Kerneintritt zu initiieren, ihre Fähigkeit zur schnellen Entwicklung und ihr Potenzial für eine kostengünstige Herstellung. Forscher sehen in diesem Ansatz auch eine Möglichkeit für die Entwicklung von Impfstoffen für Krankheiten, in denen eine Impfung heute noch keine Therapieoption darstellt.
Seit der Übernahme des amerikanischen Unternehmens Synthorx im vergangenen Dezember will sich Sanofi neu orientieren. Der Schwerpunkt der kommenden Forschung soll auf onkologischen Mitteln und der Behandlung von Autoimmunkrankheiten liegen. Forschung und Entwicklung für Diabetes- und Herz- und-Kreislauf-Medikamente kommen zum Erliegen. Sanofi geht den Weg, den schon viele andere große Pharmafirmen auf der Suche nach Wachstum und neuen lukrativen Einnahmequellen beschreiten: Geschäfte mit Generika-Konkurrenz nach dem Auslaufen von Patenten werden eingedampft oder abgestoßen, über Zukäufe werden sich neue Wachstumsstories an Bord geholt. Bei Sanofi bedeutet das nach eigenen Ansichten ein Stoppschild für Diabetes- sowie Herz-Kreislauf-Medikamente und die grüne Ampel bei Krebstherapien.
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