Kritik an vorschneller Zulassung wird lauter

Russischer Corona-Impfstoff heißt „Sputnik V“

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Berlin -

Russland hat den weltweit ersten für die breite Verwendung zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 in Erinnerung an sein Vordringen in den Weltraum 1957 auf den Namen „Sputnik V“ getauft. Das berichtete das russische Staatsfernsehen am Dienstag in Moskau. Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin bekanntgegeben, dass Russland als erstes Land der Welt einen Impfstoff zugelassen habe. Die Kritik daran wird jedoch lauter.

Russland hatte im Frühjahr eine klinische Studie mit dem Impfstoff „Gam-Covid-Vac Lyo“ in einer internationalen Datenbank registriert. Der Chef des russischen Investmentfonds, Kirill Dmitriew, sprach kürzlich von einem „Sputnik-Moment“. „Die Amerikaner waren überrascht, als sie Sputniks Piepen hörten. Mit diesem Impfstoff ist es genauso. Russland wird ihn als erstes haben“, sagte er dem US-Sender CNN. Seine vom Kreml gegründete Stiftung finanziert die Impfstoff-Produktion.

In Russland wird die Entwicklung des neuen Impfstoffs verglichen damit, dass die Sowjetunion einst als erste Nation in den Weltraum vorgedrungen war. Russland sieht sich als Rechtsnachfolger des vor rund 30 Jahren aufgelösten kommunistischen Imperiums. Die stolze Weltraumnation hatte 1957 den ersten Satelliten – den Sputnik – ins All gebracht und damit das Zeitalter der Raumfahrt begründet.

Daraufhin folgte der sogenannte „Sputnik-Schock“, also die Angst im Westen, technologisch – und dadurch auch militärisch – gegenüber dem verfeindeten Ostblock zurückzufallen. Doch davon kann bei der Covid-19-Impfung keine Rede sein. Im Gegenteil kritisieren Politiker und Wissenschaftler derzeit, dass Russland den Impfstoff zugelassen hat, ohne dessen Sicherheit ausreichend zu prüfen. „Die Zulassung eines Impfstoffes darf nicht auf Kosten der Patientensicherheit schneller ablaufen. Wissenschaftliche Ergebnisse bedürfen der Veröffentlichung. Wenn Russland seine Ergebnisse nicht veröffentlicht und somit die Wirkung und Sicherheit international nicht bewiesen wird, ist eine Zulassung des Impfstoffs gefährlich. Gefährlich vor allem für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten, aber auch für das Vertrauen in einen zukünftigen Impfstoff“, kritisiert der FDP-Gesundheitspolitiker Professor Dr. Andrew Ullmann.

Natürlich müsse bei der Impfstoffentwicklung Druck gemacht werden, so Ullmann. „Wir können und müssen Zeit bei der Impfstoffsuche einsparen – aber nur in den bürokratischen Prozessen. Die Gründlichkeit und international anerkannte Abläufe von klinischen Stufen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen darf keine Abstriche erfahren“, so der FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestages. „Wissenschaft und Forschung können nur mit Transparenz und Evidenz gelingen. Die Impfstoffsuche gegen SARS-CoV-2 ist zu einem politischen Thema und zu einem internationalen Wettbewerb geworden. Dabei findet das Wort Patientensicherheit zu wenig Beachtung.“ Auch der Hamburger Virologe Professor Dr. Jonas Schmidt-Chanasit sieht das Thema Transparenz als großen Knackpunkt. „Ich sehe die Zulassung sehr, sehr zurückhaltend. Es gibt bislang keine publizierten Daten zu dem Impfstoff – das ist schon mal eine ganz große Schwierigkeit.“

Auch aus dem Europaparlament kam Kritik an der schnellen Zulassung in Russland. Der CDU-Abgeordnete und Arzt Dr. Peter Liese verwies darauf, dass Russland keineswegs schneller als andere Länder einen Impfstoff entwickelt hat. „Der russische Impfstoff hat nur die Phasen eins und zwei der klinischen Prüfung abgeschlossen. Damit sind die Russen eigentlich hinten dran, denn weltweit gibt es schon sechs Projekte, die diese ersten beiden Phasen seit längerem abgeschlossen haben, unter anderem das von der EU gefördert Projekt des Mainzer Unternehmens Biontech gemeinsam mit dem Pharmakonzern Pfizer“, so Liese.

Dieses und die fünf anderen gingen nun in die notwendige dritte Phase der klinischen Prüfung, in der dargelegt werden muss, dass der Impfstoff überhaupt wirkt und dass auch bei einer größeren Zahl von Anwendungen keine unverantwortlichen Nebenwirkungen auftreten. „Die Russen überspringen diese Phase einfach, das ist nach EU-Recht nicht zulässig und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass viele Menschen Nebenwirkungen haben, aber keinerlei Wirkung. Es ist wichtig, dass wir schnell einen Impfstoff bekommen und deswegen unterstützt die Europäische Union Forscher-Teams mit erheblichen Mitteln.“ Darüber hinaus habe die Europäische Arzneimittelagentur, die für die Zulassung aller Impfstoffe in der EU verantwortlich ist, Experten-Teams zusammengestellt, die immer, wenn Ergebnisse vorliegen, diese sofort bewerten. „Durch Bürokratie, Personal- oder Geldmangel, darf keine Verzögerung entstehen, aber die Sicherheit darf nicht geopfert werden“, so Liese.

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