Neue Technologie

Risiko mRNA-Impfstoff?

, Uhr
Berlin -

Der von Biontech entwickelte Impfstoffkandidat BNT162b2 ist ein mRNA-basierter Impfstoff. Bei dieser Art der Vakzine handelt es sich um ein Novum: Bislang ist kein mRNA-basiertes Präparat auf dem Markt. Im Labor ist die Technologie dagegen bereits seit Jahren fester Forschungsbestandteil. Insbesondere beim Thema Krebs setzen die Forscher viel Hoffnung in RNA-Wirkstoffe. Doch in der Bevölkerung gibt es Zweifel. Können Szenarien wie die Mutation der eigenen Erbsubstanz tatsächlich eintreten?

In Großbritannien ist der mRNA-basierte Impfstoff von Biontech bereits zugelassen. Kritiker sehen in der neuen Technologie ein Risiko für die menschliche DNA. Häufig wird über Mutationen in der menschlichen Zelle geredet. Es bestehe die Gefahr einer dauerhaften Veränderung der menschlichen DNA. Impfgegner halten eine Mutation des gesamten menschlichen Organismus nach der Injektion der viralen RNA für möglich. In Worst-Case-Szenarien werden Theorien postuliert, dass die Entartung einer Zelle, die die Virus-RNA enthält, zu einer neuen, unheilbaren Form von Krebs führen kann. Doch können virale RNA-Stücke tatsächlich dauerhaft in der menschlichen DNA eingebaut werden?

Biochemisch betrachtet handelt es sich bei RNA um Polymerketten, zusammengesetzt aus Nukleotiden. Diese Ketten können unterschiedliche Funktionen ausüben. So übermittelt die mRNA beispielsweise die enthaltenen Informationen vom Zellkern zu den Ribosomen. Und hier zeigt sich bereits ein erster wichtiger Punkt, um die Funktionsweise der neuartigen mRNA-Impfstoffe zu verstehen: Die gesamte gewünschte Reaktion der Zelle auf den Impfstoff erfolgt nicht im menschlichen Zellkern, sondern in den Ribsosomen. Dies sind Zellorganellen, die eine eintretende mRNA in die Aminosäuresequenz einer Polypeptidkette übersetzen. Einfach gesagt sind Ribosomen die Eiweißproduzenten der Zelle. Sie verbinden einzelne Aminosäuren zu Ketten, hieraus können letztlich Proteine entstehen.

Eigenständige Antigen-Produktion in Ribosomen

mRNA-Impfstoffe enthalten lediglich einen Bauplan des Sars-CoV-2-Antigens. Der Körper muss also im ersten Schritt das Antigen – in diesem Fall das Spike-Protein – selbst produzieren. Gegner der neuen Technologie sehen hier die ersten Risiken für eine Mutation: Ihrer Meinung nach ist es theoretisch möglich, dass die viralen RNA-Stücke zu einer fehlerhaften Protein-Synthese führen könnten. Da nicht abzusehen sei, welcher Fehler beim Ablesen der RNA auftreten könne, sei das Folgerisiko unkalkulierbar. Wissenschaftler stellen sich gegen diese Aussage, da der aktuelle Forschungsstand aufzeigt, dass es bei einem fehlerhaften Ablesen innerhalb der Ribosomen einfach dazu kommen würde, dass kein Protein aufgebaut wird, welches auf der Zelloberfläche präsentiert werden kann.

Zellkern ist nicht Zielort der Impfstoffe

Auch die Angst, dass die wenigen Zellen, in die die virale mRNA gelangt, im Zellkern mutieren können, ist laut Wissenschaftlern unbegründet, da die RNA gar nicht in den Zellkern – und somit zur menschlichen DNA – gelangt. Generell ließen sich die doppelstrangige DNA und die einsträngige RNA nicht ohne Weiteres verbinden. „Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich“, informiert das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die chemischen Unterschiede der Biomoleküle seien so groß, dass untereinander keine Ketten gebildet werden könnten. Das PEI verweist zudem darauf, dass beide Stränge unterschiedliche Zuckermoleküle als Gerüst verwenden.

Die mRNA-Impfstoffe können den Menschen also nach aktuellem Wissensstand nicht mutieren lassen. Die eingespritzte RNA gelangt mittels Nano-Lipid-Verkapselung zwar in das Zellinnere, aber nicht weiter in den Zellkern. Dieser ist zusätzlich von einer Hülle umgeben. Wichtig zu wissen ist auch, dass die menschlichen Zellen über keine passenden Enzyme verfügen, die die mRNA wieder in eine DNA umschreiben könnten. In der Zelle kann die mRNA an keinem anderen Punkt andocken als den Ribosomen. Durch das Ablesen werden Antigene produziert. Diese gelangen an die Zelloberfläche. Nun wird die Zelle als infiziert erkannt, eine Immunreaktion wird ausgelöst. Am Ende der Kaskade steht die Entwicklung von Antikörpern. Ein Impfschutz wird aufgebaut.

Als generelle Kritik wird auch die schnelle Zulassung angeführt. Gegner der mRNA-Impfstoffe kritisieren, dass die Zeit von der klinischen Erprobung bis zu Marktzulassung keine Aufschlüsse über Langzeitfolgen gibt. Darüber hinaus wird kritisiert, dass die „Rolling Review-Verfahren“ der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und der US-Arzneimittelbehörde FDA dazu führen könnten, dass Details im Zulassungsprozess übersehen werden. Laut EMA gelten im beschleunigten Zulassungsverfahren die gleichen Prüfkriterien. Das Zulassungsverfahren der neuartigen mRNA-Impfstoffe sei sicher. Innerhalb der klinischen Prüfung wurden keine Phasen ausgelassen oder übersprungen. Der einzige Unterschied dieser beschleunigten Zulassungsverfahren sei, dass die Hersteller ihre Zwischenergebnisse fortlaufend einreichen könnten, versichert die EMA. Dazu kommt, dass die aktuellen Impfstoffe an jeweils rund 30.000 Menschen oder mehr getestet wurden – einer Probandenzahl, die weiter über andere klinische Studien hinausgeht.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
3 Mio. Versicherte von Engpässen betroffen
Zi: ALBVVG bringt keine Besserung
Systembeteiligungspflicht für Apotheken
Verpackungsregister: Ab Januar drohen Strafen
Mehr aus Ressort
Mit 71 weiter in der Apotheke
„Mein Leben mit der Insolvenz“

APOTHEKE ADHOC Debatte