Die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten wird im Moment auf eine Belastungsprobe gestellt. Gut eingespielte Abläufe und Absprachen rentieren sich jetzt. Vielerorts klagen Apotheken jedoch über unkooperative Praxen, die ihnen ihre ohnehin schwere Arbeit derzeit noch verkomplizieren. Eines der häufigsten Probleme: Wie kommen die Rezepte von der Praxis in die Apotheke, wenn der Patient sie nicht selbst bringt oder Änderungen nötig sind? Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat da bereits vor einer Woche Abhilfe geschaffen und bezahlt den Ärzten das Porto. Aber das hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Es gibt Praxen, die selbst in Zeiten der Corona-Krise noch wegen 70 Cent feilschen.
Ärzte erledigen keine Tätigkeit, für die es keine Abrechnungsziffer gibt, lästert man oft im Gesundheitswesen. Was nicht vergütet wird, wird nicht gemacht. Vor allem deshalb ist das Faxgerät in den meisten Praxen noch das Kommunikationsmittel der Wahl: Dafür gibt es Geld, für eine E-Mail nicht. Viele Ärzte verhalten sich in den aktuellen Krisenzeiten allerdings absolut angemessen und suchen nach einem vernünftigen Modus Operandi mit den umliegenden Apotheken. Manch ein Pharmazeut muss sich dennoch in allem akuten Stress auch noch mit den umliegenden Praxen herumschlagen.
Joachim Eggers ist so einer. Der Inhaber der Nordsee-Apotheke in Hamburg rauft sich die Haare über manche Arztpraxen, mit denen er zusammenarbeitet. Eine von ihnen teilte ihm diese Woche mit, dass sie ab sofort bis Ende April nur noch vormittags geöffnet ist. „Okay, kann man machen, aber in der derzeitigen Situation wird eigentlich jeder Arzt gebraucht“, sagt er. Da er die genauen Hintergründe, warum eine Praxis mit zwei Ärzten nun halbtags geschlossen bleibt, nicht kennt, wolle er sich allerdings kein Urteil dazu erlauben. Das Problem ist schließlich auch ein anderes.
Denn es gibt eine Vereinbarung zwischen der Hamburger Apothekerschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zum Schutz von Risikopatienten durch eine Minimierung des physischen Kontakts. Patienten können deshalb Rezepte telefonisch bestellen und die Praxen können sie dann per Fax an die Apotheken schicken – und tun das auch ausgiebig. „Im Moment werden wir mit solchen Faxen überhäuft“, sagt Eggers. Der Botendienst holt die Rezepte dann auf seiner Nachmittagstour ab und bringt sie in die Apotheke. Das geht jedoch nun nicht mehr, da jene Praxis – eine von Eggers Hauptverordnern – ja nachmittags geschlossen ist.
Eigentlich nicht das größte Problem. Eggers hat angefragt, ob sie ihm die Rezepte nicht einfach per Post schicken könnten. „Nachdem einer Diskussion haben sie dann zugestimmt, uns einmal die Woche alle Rezepte per Post zu schicken“, erzählt er. „Und kurz darauf riefen sie nochmal an und verlangten, dass wir ihnen Freiumschläge zur Verfügung stellen!“ Das Geld ist für Eggers nicht das Problem, doch der Ärger, den er wegen eines Centbetrages hat, raube ihm die Kraft. „Ich finde das einfach schofelig und wenig feinfühlig, in so einer Situation um 70 Cent zu feilschen. Das sind alles Tropfen, die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen“, sagt er. „Wir könnten den Patienten natürlich auch sagen, die Praxis ist unkooperativ, holt euch eure Rezepte selbst ab. Aber das ist auch nicht opportun.“
Um so ärgerlicher ist der Streit, weil er eigentlich unnütz ist. Bereits vergangenen Freitag hatte die KBV bekanntgegeben, dass den Ärzten noch bis zum 31. Juni für Arzneimittelrezepte und andere Verordnungen sowie Überweisungen die Portokosten bezahlt werden. „Aufgrund des steigenden Bedarfs für nicht persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie hat der Bewertungsausschuss festgelegt, dass den Ärzten die Portokosten für den Versand mit 90 Cent erstattet werden“, so die KBV. Doch davon haben offensichtlich noch nicht alle Praxen Wind bekommen.
„Ich muss gestehen, das hat mich sehr verärgert. Wir stehen gerade an vorderster Front und haben keine Möglichkeit, den Laden einfach mal zuzumachen. Und dann muss man sich mit sowas rumschlagen“, ärgert sich Eggers – und das nicht zum ersten Mal. Seine Apotheke habe bereits hunderte Liter Desinfektionsmittel produziert und sich dann von selbst an Praxen und Kliniken gewendet, um zu fragen, ob sie aktuell welche brauchen. „Wir reißen uns wirklich ein Bein aus, melden uns dann von allein bei den Praxen, ob sie welches brauchen – und dann feilschen die auch da mit uns, weil es doch sonst billiger sei. Wenn ich mir die aktuellen Preise für Ethanol anschaue, dann habe ich dafür kein Verständnis.“
Hinzu komme ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil man den Praxen nicht so einfach die Stirn bieten könne. „Das Problem ist, dass wir als Apotheken grundsätzlich immer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Praxen stehen“, sagt Eggers. „Wir sind darauf angewiesen, dass die Praxen mit uns zusammenarbeiten. Aber das nimmt irgendwann Ausmaße an, die nicht mehr tragbar sind.“
In dieser Zwickmühle steckt Eggers nun. Und seine Lösung? „Ich sitze das jetzt erstmal aus“, sagt er. Er wolle schauen wie die Praxis reagiert, also ob sie ihm kommende Woche von sich aus die Rezepte zuschickt. Vielleicht erfährt sie in den kommenden Tagen ja auch von der Möglichkeit, sich die Portokosten erstatten zu lassen. Eine Ziffer dafür gibt es natürlich schon: Die Abrechnung läuft über die Gebührenordnungsposition 40122.
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