Bislang sind die zugelassenen Therapien bei Covid-19 überschaubar. Deshalb wird weiter nach wirksamen Alternativen geforscht. Dabei kommen allerdings nicht nur neue Substanzen infrage – bereits bekannte Arzneistoffe bringen im Falle einer Wirksamkeit einige Vorteile mit sich. Das Fraunhofer Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) hat sich mit genau dieser Thematik beschäftigt und einige Kandidaten ermittelt.
Bereits beim ersten gegen Covid-19 zugelassenen Wirkstoff Remdesivir handelt es sich um einen altbekannten Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung von Ebola eingesetzt wurde. Auch andere Klassiker sind mittlerweile in den Fokus gerückt, darunter Dexamethason, Colchicin und verschiedene Antidepressiva. Es muss also nichts zwangsläufig eine gänzlich neue Therapie gegen Covid-19 gefunden werden, manchmal genügt ein detaillierter Blick auf die alten Bekannten.
Genau das hat nun ein Team des Fraunhofer Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie gemacht: Sie haben untersucht, ob bereits bekannte Substanzen als Hemmstoff bei Sars-CoV-2 infrage kommen. Ihre Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.
Das Vorgehen bestehende Medikamente für neue Einsatzgebiete zu positionieren wird auch als „Repurposing“ bezeichnet. „Als Ergänzung zu den sicheren und wirksamen Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 stellt das Repurposing bestehender Medikamente eine pragmatische Strategie für die Behandlung von Covid-19-Patienten dar“, erklärt das Team. Denn die Methode habe einige Vorteile: Der Weg zur Zulassung ist durch bereits vorhandene präklinische und klinische Studien oft leichter, außerdem können vorhandene Produkationskapaziäten und Lieferketten genutzt oder gar ausgebaut werden.
Insgesamt untersuchten die Forscher mehr als 5600 Substanzen. Die 67 aktivsten dieser Stoffe wurden in Bezug auf eine Aktivität gegen Sars-CoV-2 anschließend genauer unter die Lupe genommen und weiter untersucht. „Mehrere Medikamente, die in unserem primären Screening antivirale Aktivität zeigten, haben in früheren Studien keinen Einfluss auf die Zytopathizität von Sars-CoV-2 gezeigt, hemmen aber nachweislich andere Viren.“ Darunter der Wirkstoff Dapivirin, ein Reverse-Transkriptase-Inhibitor, der ursprünglich zur Behandlung von HIV entwickelt wurde. Ihm wurden kürzlich – zumindest in vitro – auch antivirale Effekte gegen die Influenzaviren A und B zugeschrieben.
Auch andere Wirkstoffe gerieten in den Fokus: Papaverin, ein PDE-Hemmer, der bei Herzkrankheiten, Impotenz und Psychose indiziert ist, kann Untersuchungen zufolge ebenfalls mehrere Influenzavirusstämme hemmen. Ähnlich würden Ethaverin und Drotaverin wirken und über eine Inaktivierung der DNA-Polymerase antivirale Wirkungen zeigen. Weitere untersuchte Wirkstoffe waren unter anderem Kinase-Inhibitoren wie Ralimetinib und Amuvatinib, aber auch das Immunsuppressivum Cyclosporin, da es die überschießende Immunantwort bei Covid-19 drosseln könnte.
Außerdem wurde eine Reihe unspezifischer Antiseptika identifiziert, von denen angenommen wird, dass die über eine allgemeine Membranstörung wirken – darunter Cetylpyridinium und Octenidin. „Wir verifizierten die Fähigkeit der bekannten Inhibitoren Camostat, Nafamostat, Lopinavir, Mefloquin, Papaverin und Cetylpyridinium, die zytopathischen Effekte von Sars-CoV-2 zu reduzieren, was die Validität des Assays bestätigt“, berichten die Forscher. Damit sei der Ansatz grundsätzlich geeignet, um mögliche neue Wirkstoffkandidaten zu ermitteln.
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