Immer wieder wird nach möglichen Therapien gesucht, um schwere Covid-Verläufe zu verhindern. Zwischenzeitlich war eine frühzeitige Behandlung mit inhalativen Glukokortikoiden (ICS) in den Fokus gerückt. Budesonid & Co. werden dabei im Off-Label-Use verordnet. Pneumolog:innen raten nun jedoch von der Verwendung ab – es gebe keine ausreichenden Hinweise für eine Wirksamkeit.
Die Stellungnahme wurde gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI), dem Bundesverband der Pneumologen (BdP) und der Deutschen Lungenstiftung (DLS) verfasst.
Die Aussage ist deutlich: Zusammenfassend lasse sich weder aus den beiden Vorläuferstudien noch aus der aktuellen Studie eine Empfehlung zu einer präventiven ICS-Therapie bei neudiagnostizierter Sars-CoV-2-Infektion ableiten. „Keine der Studien hat zeigen können, dass schwere Verläufe oder Tod durch ICS-Inhalation verhindert werden können. Eine Empfehlung zu einer ICS-Therapie bei Covid-19 ist daher auf Basis dieser Datenlage nicht möglich, ICS sind zur Behandlung von Covid-19 auch nicht zugelassen.“
Bereits in einem früheren Statement hatten die Expert:innen darauf hingewiesen, dass diese beiden Studien „STOIC 13“ und „PRINCIPLE 14“ wenig aussagekräftig waren. Das lag vor allem daran, dass es sich um nicht-verblindete Studien handelte – Patient:innen und Ärzt:innen wussten, ob Wirkstoff oder Placebo inhaliert wurde. Zudem konnten beide Studien nicht darlegen, dass durch die ICS-Behandlung schwere Verläufe oder Todesfälle verhindert wurden.
Ende November wurde im Fachjournal „JAMA“ erneut eine Studie zu inhalativen ICS veröffentlicht – diesmal verblindet. Allerdings wurde hier in der Verum-Gruppe nicht Budesonid sondern Ciclesonid verabreicht. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Verschwinden aller Covid-19-assoziierten Symptome (Husten, Luftnot, Schüttelfrost, Fiebergefühl, Muskelschmerzen, Halsschmerzen, Verlust des Geruchs-oder Geschmackssinns).
Allerdings zeigte sich kein Unterschied zwischen Verum- und Placebogruppe. Lediglich ein sekundärer Endpunkt war positiv. „Dennoch lassen sich aus mehreren Gründen daraus keine sicheren Hinweise auf die Wirksamkeit von Ciclesonid bei Patienten mit Covid-19 ableiten“, schlussfolgern die Pneumolog:innen.
Die Fallzahlen der Studie seien zu niedrig. Außerdem befanden sich in der Ciclesonid-Gruppe doppelt soviele Asthmatiker:innen wie in der Placebogruppe. Auch in Bezug auf die Symptomatik, schwere Verläufe und Todesfälle konnten keine signifikanten Effekte ausgemacht werden. Die Pneumolog:innen raten daher von einer ICS-Therapie bei Covid-19 ab.
„Es muss darauf hingewiesen werden, dass für die Frühphase der Sars-CoV-2-Infektion mit den gegen Sars-CoV-2 spezifisch gerichteten Antikörpern sehr wirksame und für diese Indikation zugelassene Therapien zur Verfügung stehen (intravenöse oder subkutane Applikation), welche nachgewiesenermaßen die Mortalität senken.“ Daher bestehe kein Anlass, „auf nicht-zugelassene Medikamente mit unsicherer Wirkung zurückzugreifen, wenn zugelassene Medikamente mit nachgewiesener Wirkung eingesetzt werden können.“
Die Expert:innen verweisen jedoch erneut ausdrücklich darauf, eine bestehende ICS-Dauertherapie bei Patient:innen mit Asthma oder COPD während der aktuellen Pandemie und im Rahmen von Covid-19 fortzuführen. „Auch aus Sicht der Versorgungssicherheit von Patient:innen mit Asthma und COPD wird von einer breiten Off-label-Behandlung mit ICS von Patient:innen mit Covid-19 beziehungsweise einer ICS-Selbstmedikation abgeraten.“
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