Die Zulassung des russischen Corona-Impfstoffs „Sputnik V“ hat für Aufsehen gesorgt. Es wurde massiv Kritik an einer vorschnellen Zulassung geübt. Nun wirft der Impfstoff weitere Zweifel auf: Experten vermuten eine Manipulation bei den Studiendaten.
Vor einem guten Monat kündigte Kremlchef Wladimir Putin an, als erstes Land der Welt einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus zugelassen zu haben, auch das russische Staatsfernsehen berichtete. Größere Mengen des Vakzins sollen bereits in diesem Monat ausgeliefert werden, wie der russische Gesundheitsminister Michail Muraschko erklärte.
Weltweit gab es massive Kritik an der frühen Zulassung – denn die Genehmigung erfolgte vor Beginn der Phase-III-Testung. Erst in dieser Phase wird gewöhnlich an sehr vielen Teilnehmern überprüft, ob und wie gut ein Wirkstoff tatsächlich vor einer Infektion schützt und welche Nebenwirkungen auftreten.
Anfang September veröffentlichten russische Wissenschaftler die Studieninhalte zu „Sputnik V“ im Fachjournal „The Lancet“: Demnach regt der Impfstoff eine Immunantwort an. So seien bei Teilnehmern – insgesamt waren es 76 – in der Testphase I/II Antikörper gegen das Virus nachgewiesen worden. Zugleich habe es keine schwerwiegenden Nebenwirkungen gegeben, schrieben die russischen Forscher. Es seien nun umfangreiche Langzeitstudien und eine weitere Überwachung erforderlich, um „die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit“ festzustellen. Bei dem Vakzin handelt sich um einen sogenannten Vektorimpfstoff, der aus zwei Injektionen besteht. Er wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt.
Nun gibt es jedoch erste Zweifel an den Daten – „einige Studienergebnisse wirken laut Kritikern, als hätten die Entwickler mit Photoshop nachgeholfen“, schreibt der Spiegel. „Es geht um den Verdacht plumper Manipulation.“ Die Auffälligkeiten zeigten sich beispielsweise bei den veröffentlichten Abbildungen, da sie ein auffälliges Zahlenmuster in den Datensätzen aufweisen.
So hätten mehrere Probanden an wechselnden Tagen exakt denselben Antikörperspiegel im Blut gehabt, auch beim T-Zell-Wert gibt es Parallelen – obwohl die Probanden jeweils unterschiedliche Formen der Vakzine erhalten hatten. „Dass in den einzelnen Gruppen, die exakt gleichen Zahlen herauskommen, obwohl unterschiedliche Dinge getestet werden, sei höchst unwahrscheinlich, erläutert der Molekularbiologe Enrico Bucci gegenüber der „Moscow Times“. „Das ist, als ob man würfelt und mehrmals genau die gleiche Zahlenfolge erhält.“
Einige Experten gehen mit ihren Anschuldigungen sogar noch weiter: „Die Daten wirkten, als seien sie mit Photoshop bearbeitet worden“, findet Andrea Cossarizza, Immunologe an der italienischen Modena Universität. Die Ähnlichkeit bei den Daten seien aus statistischer Sicht unwahrscheinlich. Nun haben sich einige Forscher zusammengetan. Sie fordern die Veröffentlichung der Rohdaten – schließlich sei das Thema nicht nur für die Fachwelt von Interesse, sondern für die ganze Welt.
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