Hinweisbeschluss im Fall Nachweis Express

OLG Celle verwirft „Impfunfähigkeitsbescheinigung“

, Uhr
Berlin -

Eine „Impfunfähigkeitsbescheinigung“, die ohne Untersuchung, dafür gegen Gebühr von einer Ärztin ausgestellt wird, ist ein falsches Gesundheitszeugnis und die Werbung für diesen Service verboten. Zu diesem Schluss kam das Landgericht Stade im Fall Nachweis Express – einer Firma aus dem Umfeld des Unternehmers Markus Bönig. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) hat nun angekündigt, dieses Urteil zu bestätigen, falls die Berufung nicht zurückgenommen wird.

Für 17,49 Euro konnten sich Kunden auf der Seite Nachweis Express eine „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ von einer Ärztin a.D. aus Baden-Württemberg ausstellen lassen. Einen persönlichen Kontakt zu der Ärztin gab es nicht, die Nutzer:innen mussten bei einem Fragebogen nur angeben, dass sie sie eine allergische Reaktion auf einen Corona-Impfstoff nicht ausschließen können.

Die Wettbewerbszentrale sah darin eine unzulässige Werbung für Fernbehandlung nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Auch die Ausgabe der Impfunfähigkeitsbescheinigung sei unzulässig, weil sie einen Arbeitgeber irreführen könne; sie entspreche auch nicht der fachlichen Sorgfalt. Der Geschäftsführer hafte für den berufsrechtlichen Verstoß der Ärztin, weil er „ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt“ habe.

Das Landgericht Stada hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben. Die Werbung suggeriere, dass der Arbeitgeber nach Vorlage der Bescheinigung keine Konsequenzen an eine fehlende Impfung knüpfen werde. Dazu sei die „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ jedoch ungeeignet. Es handele sich um ein unrichtiges Gesundheitszeugnis im Sinn des § 278 StGB, weil der Befund „ins Blaue hinein“ ohne einschlägige Untersuchung bescheinigt werde. Durch die Möglichkeit des sofortigen Downloads sei ausgeschlossen, dass die Ärztin die Antworten des Nutzers überhaupt zur Kenntnis genommen habe.

Bönigs Seite trug im Berufungsverfahren unter anderem vor, dass das Gericht von einem falschen Adressatenkreis ausgegangen sei. Das Angebot richte sich an Personen, welche eine Bescheinigung benötigten, um sich vor ihrer Impfung allergologisch untersuchen zu lassen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Es gebe kein Versprechen, dass die Bescheinigungen Sanktionen wegen einer fehlenden Impfung definitiv verhindern könnten.

Doch das OLG überzeugte das nicht. In einem Hinweisbeschluss geben die Richter an, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Beworben werde eine durch einen Arzt erstellte „gutachterliche Stellungnahme“. Die Überprüfung von Patienten auf Allergien, die einer Corona-Impfung entgegenstehen, sei eine Werbung für die Erkennung einer Krankheit.

Der Eindruck einer individuellen Diagnose werde dadurch verstärkt, dass in der Bescheinigung bestimmte schwere Impfwirkungen angehakt würden. Und die Ärztin erkläre in dem zum Download bereit gehaltenen Brief an den „weiterbehandelnden“ Allergologen: „Unsere Anamnese ergab ein erhöhtes Risiko einer allergischen Reaktion auf einen der Bestandteile der mRNA-Impfstoffe.“ Die einschränkenden Erläuterungen auf der Website reichen dem OLG nicht aus.

Die Standards der Fernbehandlung sind aus Sicht des Gerichts ebenfalls nicht erfüllt. Die Diagnose einer allergiebedingten Impfunfähigkeit des Patienten werde nach diesen Standards kaum allein auf der Grundlage einseitiger Online-Angaben des Patienten ohne irgendeine Abfrage und Auswertung von Symptomen gestellt. Nachweis Express hat nun bis zum 3. April Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Ärztepräsident zeigte sich offen
BMG lehnt „Teilzeit-Krankschreibungen“ ab
Zeitfresser bei der Abgabe
Engpasszuschlag im Apothekenhonorar
Mehr aus Ressort
„Auffällig höhere Fallzahlen“
Corona: Sommerwelle ist da
„Pandemie der Ungeimpften“
RKI-Protokolle bringen Spahn unter Druck

APOTHEKE ADHOC Debatte