Nun doch kein Freibrief für Spahn APOTHEKE ADHOC, 05.11.2020 12:54 Uhr
Zur Bewältigung der Coronakrise soll im Bundestag ein drittes Bevölkerungsschutzpaket verabschiedet werden. Die Beratungen starten am Freitag. Die Regelungen berücksichtigen neue Erkenntnisse über das Coronavirus und setzen einen Rahmen für künftige Impfprogramme. Zugleich beinhaltet die Vorlage der Regierungsfraktionen von Union und SPD eine gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Eingriffe in grundrechtliche Freiheiten. Nicht mehr im Gesetzentwurf enthalten sind weitreichendere Kompetenzen für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts angesichts der länger andauernden Pandemielage zu entsprechen, sei eine gesetzliche Präzisierung im Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität möglicher Maßnahmen angezeigt, heißt es in dem Gesetzentwurf. Und weiter: Mit der Benennung nicht abschließender Regelbeispiele etwaiger Schutzmaßnahmen gebe der Gesetzgeber in Ausübung seiner Beobachtungs- und Korrekturpflicht Reichweite und Grenzen exekutiven Handelns vor.
Das ursprüngliche Vorhaben Spahns, seinem Ministerium dauerhaft Sonderrechte in der Pandemie zu verschaffen, wurde wieder fallengelassen. In einer ersten Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplant, unbefristet eigenmächtig Verordnungen erlassen zu können, soweit dies „zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist“. Der Bundestag sollte diese Verordnungen aber abändern und aufheben können.
Mit der Novelle werden auch kommende Impfprogramme vorbereitet. So sollen nicht nur Versicherte einen Anspruch auf Schutzimpfungen und Testungen haben können, sondern auch Nichtversicherte. Die zugrunde liegende Rechtsverordnung kann Regelungen zur Vergütung und Abrechnung vorsehen. Zur besseren Kontaktnachverfolgung im Reiseverkehr kann künftig eine digitale Einreiseanmeldung nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet verordnet werden. Zugleich erhält der Begriff des Risikogebiets eine Legaldefinition.
Das Paket sieht außerdem Hilfe für berufstätige Eltern vor. Die im März geschaffene Entschädigungsregelung soll fortgeführt werden, wenn die Betreuung der Kinder nach einer behördlichen Schließung von Einrichtungen nicht mehr möglich ist. Bei einem unter Quarantäne gestellten Kind soll künftig auch eine Entschädigungszahlung möglich sein. Eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls wird hingegen ausgeschlossen, wenn die betreffende Person eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet unternommen hat.
Die Laborkapazitäten für Corona-Tests sollen ferner ausgeweitet werden. Dazu soll der sogenannte Arztvorbehalt modifiziert werden. Bei Bedarf sollen auch Kapazitäten der veterinärmedizinischen Labore abgerufen werden können. Beim Robert-Koch-Institut (RKI) sollen neuartige Überwachungsinstrumente (Surveillance) geschaffen werden, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlauf der Pandemie zu gewinnen. Das Bevölkerungsschutzgesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.