Desinfektionsmittel aus der Brennerei

Noweda listet Lautergold

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Berlin -

Blauer Bison, Lauterer Luft oder Saxon heißen Produkte, mit denen die Firma Lautergold normalerweise ihr Geld verdient. Doch wie viele Brennereien ist auch das Unternehmen aus dem sächsischen Lauter-Bernsbach derzeit als Lieferant gefragt. Lautergold besorgt aber nicht nur die Ausgangsstoffe für Desinfektionsmittel, sondern hat kurzerhand eine eigene Produktion aufgezogen – mit Hilfe eines befreundeten Apothekers. Die Noweda hat das Produkt SeptoEx als erster Großhändler an Lager genommen.

Weil Lautergold Geschäftskontakte nach China hält, ahnte Geschäftsführer Jörg Haupt früh, was auf Deutschland zukommt. Schon im Januar überlegte er, wie man den eigenen Alkohol umarbeiten könnte. Gut, wer einen Apotheker im Freundeskreis hat. Mit Dr. Stefan Spaniel aus Feuchtwangen ist Haupt seit Studententagen befreundet, der Apotheker brachte die Expertise und die Kontakte mit.

Spaniel beriet Haupt zur WHO-Rezeptur und bei der korrekten Beschriftung der Etiketten. Der Apotheker vermittelte auch die Noweda. Der Großhändler war von dem Produkt überzeugt und hat es gelistet. Haupt zufolge verkauft Lautergold seit acht Wochen im Durchschnitt etwa 20.000 Liter SeptoEx, etwa die Hälfte läuft über die Noweda, 13 Niederlassungen werden beliefert. Aber auch sächsische Klinken und Altenpflegeheime zählen zu den Kunden. „Darauf haben wir von Anfang an Wert gelegt. Wir hätten auch alles auf einen Schlag an einen Händler verkaufen können, aber wir wollten in der Region verteilen an die, die es benötigen“, so Haupt.

Am Anfang wurde das Desinfektionsmittel von den Mitarbeitern selbst in 5- und 10-Liter-Kanister abgefüllt Doch Haupt hat einen fünfstelligen Betrag in eine Abfüllanlage investiert. „Erst haben wir improvisiert, jetzt wird professionalisiert“, beschreibt der Geschäftsführer das Hineinwachsen in den neuen Geschäftsbereich. Und das ging schnell: Mit einem Schlag war Lautergold so erfolgreich, dass bereits Ethanol-Engpässe drohen. „In Deutschland ist Ethanol kaum noch verfügbar“, so Haupt. Der Preis habe sich seit Beginn der Corona-Krise vervierfacht.

Apropos Preis: Günstig ist SeptoEx nicht. Der Großhandel zahlt zwischen 80 und 90 Euro für einen 10-Liter-Kanister. Dafür sei die Qualität auch höher als bei anderen Produkten. So dürften Apotheken derzeit aus Bioethanol Desinfektionsmittel herstellen. Doch diese Vorstufe des Trinkalkohols sei weniger rein und normalerweise nicht für den Privatgebrauch zugelassen, erläutert Haupt. Wenn die Ausnahmegenehmigung ausläuft, werde sich Qualität durchsetzen, ist der Geschäftsführer überzeugt. Deshalb will er das Geschäft mit Desinfektionsmitteln zu einem zweiten Standbein ausbauen. Seit dieser Woche ist auch eine 1-Liter-Flasche verfügbar.

Normalerweise gehören hochwertige Liköre, Brände und Geister zu den Verkaufsschlagern von Lautergold. Allerdings hat die Branche regelmäßig zum Jahresbeginn eine Schwächephase – die guten Vorsätze der Leute sind schlecht für den Spirituosenhandel. Mit der Grillsaison zieht das Geschäft normalerweise wieder an. Die ersten Monate des Jahres werden normalerweise dafür genutzt, das Lager aufzuräumen. Doch wenn die Herstellung von Desinfektionsmittel langfristig als zweites Standbein aufgebaut werden kann, könnten sich die Geschäftsbereiche perfekt ergänzen.

Bei allen Synergieeffekten werden Dry Gin und Desinfektionsmittel bei Lautergold streng getrennt. Das beginnt beim Marketing: Auf der Lautergold-Homepage findet das Desinfektionsmittel keine Erwähnung, dafür soll eine eigene Internetpräsenz aufgebaut werden. „Wir wollen eine eigene Marke aufbauen. Man kann nicht ein chemisches Produkt mit einem Genussmittel vermischen, deshalb wird eine getrennte Vertriebslinie aufgebaut“, erklärt Haupt.

Noch wichtiger ist dieses Vorgehen aus rechtlicher Sicht. Das Gesundheitsamt war schnell vor Ort, um sich davon zu überzeugen, dass die Genussmittelherstellung räumlich und funktionell von der SeptoEx-Produktion getrennt ist. Hier half ein glücklicher Umstand: Unlängst hatte Lautergold einen Konkurrenten übernommen. Die Produktionsanlage stand zum Ausschlachten auf dem Hof, jetzt können Tanks und Anlage komplett für die getrennte Produktion benutzt werden. Eine PZN für SeptoEx ist beantragt und Haupt sucht weiter Gespräche mit anderen Großhändlern.

In gewisser Hinsicht schließt sich für Lautergold sogar ein Kreis: Die Firma gibt es schon seit 1734 – und zu Beginn wurden hier tatsächlich Kräuteransätze und Tinkturen für Gesundheitsprodukte hergestellt. Doch das Geschäft ging mit der Professionalisierung der Apotheken verloren. Seit etwa 100 Jahren werden ausschließlich Spirituosen hergestellt. „Jetzt machen wir wieder einen Sidestep zur Medizintechnik“, so Haupt. Er kann sich vorstellen, dass das Desinfektionsmittel irgendwann 20 bis 25 Prozent des Geschäfts ausmacht.

 

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