Bislang galt die Virusmutation aus Südengland, die auch als „VOC 202012/01“ oder „B.1.1.7“ bezeichnet wird, nur ansteckender als die ursprüngliche Variante von Sars-CoV-2. Mittlerweile zeigen Daten jedoch ein anderes Bild – auch die Sterblichkeit der Betroffenen scheint erhöht zu sein.
Kurz nachdem die neue Virusvariante in England identifiziert wurde, breitete sie sich auch international aus. Bislang gingen die Forscher davon aus, dass sie rund 50 bis 70 Prozent ansteckender ist. Noch vor kurzem ging man jedoch davon aus, dass sie die Sterblichkeit nicht beeinflusst und schwere Verläufe nicht häufiger auftreten.
Die Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) hat die Variante nun jedoch anhand mehrerer Studien neu bewertet: Demnach gehen Infektionen mit der Mutation doch mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. Die drei Untersuchungen wurden kürzlich bei einer Sitzung der „New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group“ vorgestellt.
Das Ergebnis: Das Team der London School of Hygiene and Tropical Medicine berechnete für die Virusvariante einen Anstieg der Case-Fatality-Date um 35 Prozent durch alle Altersgruppen hinweg. Zwei Studien des Imperial College ermittelten sogar eine fast doppelt so hohe Sterblichkeit im Vergleich zu früheren Stämmen. Die Experten kamen auf der Sitzung zu dem Schluss, dass eine realistische Möglichkeit bestehe, dass die neue Variante mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden ist.
Die neue Virus-Variante verfügt über mehrere Mutationen – unter anderem solche, die sich auf das Spike-Protein auswirken. Am bedeutendsten könnte Forschern zufolge eine Punktmutation mit dem Namen „N501Y“ sein: Sie tritt an einer Aminosäure in der Rezeptorbindungsstelle des Spikeproteins auf. Dieses ist bekanntermaßen wichtig für den Eintritt in die menschlichen Körperzellen über die ACE2-Rezeptoren. In Tierversuchen führte diese Mutation dazu, dass die Affinität zum Rezeptor erhöht wurde, wodurch das Eindringen des Virus erleichtert wurde.
Auch die Mutation „P681H“ könnte Auswirkungen auf die Eigenschaften des Stammes haben, denn sie ist an der Furinspaltungsstelle lokalisiert: Bei Furin handelt es sich um ein Enzym, welches das Virus nutzt, um in die Zellen zu gelangen. Außerdem könnte eine der drei Deletionen von Bedeutung sein. „69-70del“ befindet sich im Gen für das Spikeprotein und könnte somit die körpereigene Immunantwort beeinflussen.
Die Bezeichnung der verschiedenen Mutationen sorgt derzeit für große Verwirrung, da es bislang keine einheitliche Benennung gibt. Die Mutation aus England war zunächst als „B.1.1.7“ bekannt, während der Untersuchungsphase kam es außerdem zu der Bezeichnung „VUI 202012/01“. Als VUI (Variant Under Investigation) werden Virus-Varianten bezeichnet, deren konkrete Veränderungen und die damit einhergehende Bedeutung noch ermittelt wird. Kurz vor Weihnachten erhielt die Mutation aus Südengland nach einer Risikobewertung schließlich die Benennung einer „Variant Of Concern“ – kurz: VOC 202012/01. Geläufig ist vereinfacht allerdings auch der Name „britische Variante“. Wissenschaftler sprachen sich kürzlich für eine einheitliche Nomenklatur aus, um Klarheit in den Namen-Dschungel zu bringen.
APOTHEKE ADHOC Debatte