Aktuell wird diskutiert, ob der Lebendimpfstoff Masern, Mumps, Röteln (MMR) gegen Covid-19 schützen kann. Alle drei Infektionskrankheiten werden durch Viren ausgelöst. Die Dreifachimpfung gehört zum Standardschema der Ständigen Impfkommission (Stiko).
Der MMR-Impfstoff ist ein Lebendimpfstoff, der abgeschwächte, vermehrungsfähige Viren enthält. Auch Personen, die bereits immun gegen eine oder mehrere der Komponenten sind, können mit dem Impfstoff versorgt werden. Es besteht kein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen. Aktuell vermuten Wissenschaftler einen Schutz vor schweren Covid-Verläufen. Aufgrund der Bildung von myeloiden Suppressorzellen sollen Komplikationen bei einer Sars-CoV-2-Infektion verhindert werden. Unter der Rubrik „Opinion/Hypothesis“ des Journals mBIO der American Society for Microbiology haben Forscher diese Theorie erläutert.
Eine MMR-Impfung könne nicht vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 schützen, jedoch könne der Dreifachimpfstoff als vorbeugende Maßnahme zur Dämpfung von septischen Entzündungen dienen, so vermuten Mikrobiologen. Besonders interessant und besonders wirksam könnte die Auffrischimpfung laut Forschern für Beschäftigte im Gesundheitswesen sein, die dem Virus öfter ausgesetzt sind. Die Annahme basiert darauf, dass der attenuierte Lebendimpfstoff unspezifischen Schutz gegen tödliche Infektionen bieten kann, obwohl diese nicht mit dem Zielpathogen zusammenhängen. Die Impfung führt zu einer vermehrten Produktion unspezifischer angeborener Immunzellen – dies würde den Körper bei der Bekämpfung jeglicher Infektionen stärken. Die Leukozytenvorläuferzellen im Knochenmark würden quasi trainiert werden.
Wirkliche Belege für die Hypothese gibt es aktuell nicht. Die Forscher stützen sich auf Untersuchungen aus anderen Ländern, in denen ein abgeschwächter Lebendimpfstoff gegen Mycobacterium bovis (BCG) gegen tödliche polymikrobielle Sepsis eingesetzt wurde. Im Ergebnis zeigte sich, dass ein Schutz durch langlebige myeloide Suppressorzellen hervorgerufen werden konnte. Hierdurch konnte die septische Entzündung unterdrückt werden. Folglich gehen die Forscher im Fall von Covid-19 davon aus, dass ein MMR-Impfstoff in der Lage sein sollte, myeloide Suppressorzellen zu induzieren, welche dann schwere Verläufe mit Pneumonien und Sepsis verhindern oder zumindest reduzieren könnten.
Interessant seien die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen Sars-CoV-2 und dem Röteln-Virus, so Wissenschaftler der Universität Cambridge. Die Makrodomänen von beiden Pathogenen weisen eine Aminosäuresequenzidentität von 29 Prozent auf. Weiterhin fand das Team bei Covid-19-Patienten einen erhöhten Röteln-IgG-Spiegel. Diese Hypothese soll auch klären, weshalb Kinder meist nur milde Verläufe erleiden. Sie nehmen an, dass ihre häufigere Exposition gegenüber abgeschwächten Lebendimpfstoffen, die zur Induktion von myeloider Suppressorzellen führen, Entzündungen durch Infektionen begrenzen und damit das Risiko für einen schweren Verlauf reduzieren.
Das RKI sieht in der Verwendung von Kombinationsimpfstoffen deutliche Vorteile, da die Anzahl der notwendigen Einzelimpfungen reduziert wird. Zwei Impfungen mit einem MMR-Impfstoff schützen demnach gleichzeitig vor drei Erkrankungen, für die ansonsten sechs Impfungen nötig gewesen wären. Mögliche Nebenwirkungen reduzieren sich aufgrund der minimierten Impfanzahl ebenfalls. Weniger Impfungen bedeuten auch eine geringere Schmerzbelastung für die Kinder und einen geringeren zeitlichen Aufwand für Eltern und Ärzte. Die Verwendung von Kombinationsimpfstoffen wird seitens der Ständigen Impfkommission (Stiko) ausdrücklich empfohlen. Neben der Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) gibt es auch eine Vierfachimpfung, diese schützt zusätzlich gegen Windpocken (MMRV).
Das Thema Impfen rückt aufgrund der Corona-Pandemie neu in den Fokus. Zahlreiche Unternehmen forschen seit Wochen an einem möglichen Impfstoffkandidaten. Um im kommenden Jahr ausreichende Mengen zu Verfügung zu haben, ist es laut den Herstellern wichtig, dass mehr als eine Vakzine auf den Markt kommt. Die Auswertung des Stada „Health Report 2020“ zeigt, 83 Prozent der deutschen Bevölkerung würden eine Impfpflicht begrüßen. Insbesondere das Thema Masern ist bei den Bürgern präsent. Aufgrund der Bedeutung und möglichen Folgen einer Masern-Erkrankung wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Region Europa die Elimination der Masern bei Neugeborenen bis zum Jahr 2015 beschlossen. Diesem Ziel hat sich auch Deutschland mit dem „Interventionsprogramm Masern, Mumps, Röteln“ angeschlossen. Oberstes Ziel: Die Erhöhung der MMR-Impfraten auf über 95 Prozent. Damit könnte die jährliche Inzidenz auf unter einen Fall pro eine Million Einwohner gesenkt werden, so das RKI.
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