Corona-Schnelltests sollen schnelle Gewissheit bringen und werden in zahlreichen Altenheimen und Krankenhäusern eingesetzt. Experten mahnen zu Vorsicht: Viele Tests halten nicht, was die Hersteller versprechen. Bislang müssen die angegebenen Sensitivitäts- und Spezifitätswerte nicht durch ein unabhängiges Labor bestätigt werden. Die PCR-Methode bleibe weiterhin Goldstandard.
Die vielfach eingesetzten Corona-Schnelltests sind mehreren Studien zufolge häufig unzuverlässig. Die Empfindlichkeit der Antigen-Schnelltests ist demnach zum Teil erheblich geringer als von den Herstellern angegeben. Das betonen Wissenschaftler des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19 in einem aktuellen Positionspapier. Die Mediziner warnen dringend davor, die Hygieneregeln in Alten- und Pflegeheimen zu lockern, in denen Schnelltests häufig zum Einsatz kommen.
Die Stiftung Patientenschutz forderte anschließend eine Überprüfung der Antigen-Schnelltests durch unabhängige Labore. „Nur geprüfte Antigentests dürfen dann eingesetzt werden“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Somit bleiben PCR-Tests weiterhin der Goldstandard bei der Detektion von Sars-CoV-2. Die PCR-Methode kann im Falle einer Infektion durch weitere Parameter auch Aussagen zum aktuellen Stand geben. So kann der Ct-Wert beispielsweise bei einer Einschätzung der aktuellen Infektiösität herangezogen werden.
Anders als die sehr zuverlässigen PCR-Tests weisen Antigen-Schnelltests den Erreger nicht anhand seines Erbguts nach, sondern anhand bestimmter Virusproteine. Die Qualität solcher Verfahren testeten die zwei Münchner Unikliniken an insgesamt 859 Abstrichen. Die Tests führte dabei Fachpersonal aus. Überprüft wurden der in Deutschland meistverwendete Schnelltest sowie ein zweites Produkt. „Nach unseren Untersuchungen werden nur sechs von zehn Sars-CoV-2-Infektionen erkannt“, sagt Oliver Keppler, Leiter der Virologie am Max-Pettenkofer-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. „Anderseits erhalten auch zwei von hundert nicht-infizierten Personen ein falsch-positives Ergebnis.“
Die Münchner stehen mit ihren Ergebnissen nicht allein. So wurden in der Notaufnahme des Stuttgarter Katharinenhospitals 459 Patienten mit zwei verschiedenen Verfahren getestet. Auch hier war die Zuverlässigkeit der Antigen-Schnelltests deutlich schlechter als die der PCR-Verfahren, insbesondere bei Patienten ohne Symptome. Antigen-Schnelltests könnten zumeist „hochinfektiöse Menschen mit hohen Viruslasten“ erkennen, erläutert Keppler. „Es ist jedoch nicht so, dass eine Infektion durch das negative Ergebnis eines Schnelltests zuverlässig ausgeschlossen werden könnte. Bei weitem nicht.“
Daher warnt der Mediziner: „Ein negativer Antigen-Schnelltest ist kein Freifahrtschein. Viele Menschen denken bei einem negativen Ergebnis: „Naja, dann muss ich ja nicht mehr so konsequent auf Abstand achten oder die lästige Maske tragen.“ Wenn die Vorsicht in Hochrisikobereichen wie Alten- und Pflegeheimen nachlässt, halten wir das, wie in unserem Positionspapier dargestellt, für wirklich kritisch.“ Die Hersteller dürften mit ihren eigenen Angaben zur Testqualität werben, beklagt Keppler. „Das gleicht einer Fehlinformation. Wir haben in den letzten Wochen Ausbruchsszenarien gesehen, bei denen wahrscheinlich falsche Ergebnisse von Antigen-Schnelltests eine entscheidende Rolle für den Eintrag des Virus gespielt haben.“
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