Mundschutz, Handschuhe & Co.

Lieferausschlüsse: Apotheken gehen leer aus

, Uhr
Berlin -

Seit Wochen versuchen Apotheken, ausreichende Mengen an Mundschutz, Handschuhen und Desinfektionsmittel zu bestellen. Zeitweise war das kaum möglich, berichtet Andreas Fizia, Filialleiter der Lilien Apotheke in Pirna. Dabei bemängelt er auch die Reaktion einiger Hersteller auf momentan ausgelöste Bestellungen: „Wer im letzten Jahr die gewünschten Artikel nicht bestellt hat, der bekommt sie auch nicht in diesem Jahr.“

Fizia staunte nicht schlecht, als er vom Hersteller Lohmann & Rauscher (L&R) auf einen Bestellwunsch hin nur die Antwort erhielt, dass er nicht beliefert werden würde. Grund sei nicht die gewünschte Menge oder ein Lieferdefekt des Artikels – er würde schlichtweg keine Ware erhalten, da er im Vorjahr nicht bestellt hatte. „Wenn einige Hersteller ihre Lieferwege priorisieren wollen, dann bitte nicht zulasten der Apotheken! Und schon gar nicht mit so fadenscheinigen Begründungen wie der Bestellmenge des letzten Jahres“, ärgert sich Fizia. Zusammen mit der Inhaberin der Apotheke musste er das gleiche Verhalten auch bei anderen Unternehmen feststellen. „Lohmann & Rauscher sind nicht die einzigen, die so argumentiert haben.“ Auch der Hilfsmittelspezialist Param oder das Medizintechnikunternehmen Dahlhausen hätten keine Ware ausgeliefert.

„Die Unternehmen priorisieren ihre Kunden – Kliniken und Pflegeheime werden zuerst beliefert“, erzählt der Apotheker. Mit diesen Einrichtungen würden auch außerhalb von Pandemiezeiten Lieferverträge bestehen. Fizia ist klar, dass auch diese Einrichtungen über ausreichende Mengen Schutzausrüstung verfügen müssen, dennoch beklagt er: „Wir versorgen seit Beginn der Corona-Krise die Bevölkerung und Heime mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Desinfektionsmitteln, Zuspruch und Schutzausrüstung, ohne selbst jemals Ausrüstung erhalten zu haben.“ Dies ist auch eine Verfehlung der Politik, wie er findet: „Ohne Zweifel hat es die Bundesregierung versäumt, entsprechende Vorsorge zu treffen, und die föderalistische Bürokratie behindert eine schnelle und umfassende Beschaffung.“

Bei Lohmann & Rauscher sei es darüber hinaus nicht mal möglich gewesen, online in den Bestellbereich zu gelangen. Fizia muss sich also telefonisch an das Unternehmen wenden. „Trotz regelmäßiger Abnahme von Verbandsstoffen und Pflastern liefert der Hersteller keinen bestellten Mund- und Nasenschutz aus.“ Eigentlich beziehe er seit Jahren Ware über das Unternehmen. Nun fühlt er sich zurückgestoßen: „Mit Verwunderung muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Apotheken offensichtlich Kunden zweiter Klasse bei Lohmann & Rauscher sind.“ Die Begründung aus dem Kundencenter dafür, weshalb er keine Ware bekommt, macht ihn wütend: „Man sagte mir, wir hätten ja letztes Jahr nichts davon bestellt. Aber im letzten Jahr hat auch keiner mit Corona gerechnet.“

Fizia hält die Belieferung durch namhafte Hersteller für wichtig, um den Markt weitestgehend frei von dubiosen Drittanbietern zu halten. Wenn Apotheken keine Lieferung der ihnen bekannten Hersteller bekommen, so könnten sie gezwungen sein, Mund- und Nasenschutz, Handschuhe und Schutzbekleidung aus eher zwielichtiger oder zweifelhafter Quelle zu überhöhten Preisen zu bestellen. „Die Weitergabe dieser Preise ohne großartigen Aufschlag führt zu Diskussionen in der Presse.“ Bei der Annahme von Apothekenpreisen handele es sich um ein Märchen, welches gerade medial aufgerollt werde: Die Gewinnmarge sei bei Desinfektionsmittel & Co. gerade kaum existent. Da die Einkaufspreise enorm gestiegen seien, erhebt Fizia neben der Mehrwertsteuer kaum Aufschläge auf diese Artikel. Ihn macht es wütend, dass durch zahlreiche Berichte für den Kunden das Bild entsteht, dass der Apotheker aus der jetzigen Krisensituation noch Profit schlagen möchte.

Die Gefahr qualitativ minderwertiger Artikel ist laut Fizia aktuell vorhanden: „Würde man die Lieferwege über seriöse Fachanbieter und staatlich kontrollierte Apotheken laufen lassen, wäre sicher ein Teil des jetzt entstandenen Graumarktes ausgetrocknet.“ Der Apotheker ist sich bewusst darüber, dass es in der Apotheke nicht möglich ist, die Artikel auf Qualität zu prüfen. Auch deshalb sei es unabdingbar, auf bekannte Hersteller zurückzugreifen. Zuletzt warnte die Verbraucherzentrale Hessen vor unseriösen Anbietern von Atemschutzmasken. Onlinehändler würden mit dubiosen Rabattaktionen locken, bezahlt werden soll im Voraus. „Auch wir haben schon online bestellt und nie Ware erhalten – trotz Bezahlung.“ Auch die EU warnte bereits vor importierten Atemschutzmasken mit expliziter Artikelbezeichnung. Die Masken würden nicht die Filterleistung erbringen, die deklariert sei.

Auch in Sachsen arbeiten Apotheker und PTA mit Masken; die meisten Teams nutzen selbstgenähte Baumwollmasken, die gewaschen werden können. Einige Apotheken haben sich zur Beratung mit Einmalhandschuhen entschieden – somit steigt der Bedarf auch bei diesen Artikeln. Eine Bestellung über den Großhandel sei größtenteils wieder möglich. Die Lilien Apotheke sei momentan gut versorgt. Der fade Beigeschmack bleibt dennoch: „Ich erwarte von einer langfristigen Lieferbeziehung auch, dass die Hersteller sich überlegen, wen sie beliefern. Und dass die offensichtlich heiß begehrten Artikel auch oder eben gerade an Apotheken ausgeliefert werden. Darüber sollten die Unternehmen nachdenken.“

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
„Auffällig höhere Fallzahlen“
Corona: Sommerwelle ist da
„Pandemie der Ungeimpften“
RKI-Protokolle bringen Spahn unter Druck

APOTHEKE ADHOC Debatte